Adelshochzeiten, Scheidungen, Eskapaden – Warum fahren so viele Menschen auf Geschichten aus der Promiwelt ab?

Hamburg. Es war das Promiereignis dieses Jahres. Als am 30. April Prinz Willem-Alexander, 46, zum König der Niederlande gekrönt wurde, verfolgten deutschlandweit 17 Millionen Menschen das Ereignis in Amsterdam am Fernseher. Eine noch stärkere Faszination hatte die Hochzeit von Prinz William, 31, und Kate, 31, am 26. April 2011 in Großbritannien. Sie brach sämtliche Einschaltrekorde. Zwei Milliarden Menschen schauten weltweit zu. Selbst diejenigen, die sich nicht für Royals interessierten, konnten sich dem Bann der Bilder aus London kaum entziehen.

Warum fahren so viele Menschen auf Geschichten aus Königshäusern ab? Warum ist das Interesse vieler so groß, wenn die schwedische Prinzessin Madeleine, 31, den Unternehmer Christopher O'Neill, 38, heiratet? Ist es Bewunderung, Neid oder schlichtweg Unterhaltung? Aus Sicht von Yvonne von Stempel vom Hamburger Presseclub gibt es vor allem zwei Motive: Zum einen ist es die Möglichkeit, von einer anderen, glitzernden und aufregenden Welt zu träumen. Das bietet Ablenkung vom Alltagstrott. Dieser „oberflächliche“ Einblick in die Welt des Glamours transportiere die Fans in eine andere Welt, so die Geschäftsführerin der PR-Agentur YvS Communication Partner. Die Stars seien Vorbilder und Idole für viele Menschen. Gleichzeitig sehen wir in Zeitung, Fernsehen und anderen Medien, dass „auch nicht alles Gold ist, was glänzt“, sagte von Stempel. Wir bekämen häufig Einblicke in die Welt der Prominenz, die deutlich zeigten, dass auch dort Sorgen und Unzufriedenheit die Menschen belasten. Von Stempel ist der Meinung, dass ein bisschen Schadenfreude auch ein Grund für das große Interesse an der High Society sei.

Die Medien öffnen also der Allgemeinheit die Haustüren von Heidi Klum, Ex-Spice-Girls-Sängerin Victoria Beckham, Prinz Harry und Co. und lassen uns teilhaben an Scheidungen, familiärem Ärger oder Eskapaden. Otto Normalverbraucher zieht dann gewollt oder ungewollt Vergleiche, manchmal kommt er dabei sogar zu dem beruhigenden Schluss, dass man mit der eigenen, manchmal langweilig scheinenden Welt sehr zufrieden sein kann. Wenn so viele Menschen die „hohe Gesellschaft“ durch die Medien auf Schritt und Tritt verfolgen, stellt sich die Frage: Wie stark ist die Vorbildfunktion der Promis? Inwiefern beeinflussen sie die Identität ihrer Fans? All das kann auch vom Alter der Anhänger abhängen. Medienwissenschaftlerin Professor Claudia Wegener untersuchte, wie sehr Stars im Alltag von Jugendlichen eine Rolle spielen, vor allem für deren Identitätsbildung.

Dazu befragte sie 3000 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 Jahren. Die Professorin der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam kam zu dem Schluss, dass Prominente als Vorbilder hauptsächlich positiven Einfluss auf die Heranwachsenden haben.

Familie und Freunde sind den meisten Jugendlichen wichtiger als ihre Idole

Jugendliche deuten auf eine subjektive Art mehr in ihre Idole hinein, als sie sich von ihnen abschauen. „So verarbeiten sie eigene Probleme.“ Außerdem sieht Wegener den durch die Medien hergestellten Kontakt als sehr konstruktiv: „Das Vorbild wird zum besten Freund und zur Stütze im Alltag.“ Interessant ist das unterschiedliche Verhalten bei Mädchen und Jungen: Erstere suchen sich männliche oder weibliche Vorbilder, Letztere hingegen sind häufig Fans von männlichen Stars – meist aus dem Sport. Außerdem fühlen sich Mädchen durch ihre Idole in zwischenmenschlichen Beziehungen gestärkt, junge Männer hingegen eher in ihrer Unabhängigkeit und Männlichkeit. Wie stark die Beziehung der Jugendlichen zu ihren Idealen ist, unterscheide sich jedoch nicht zwischen den Geschlechtern. Die Studie zeigte auch, dass den Jugendlichen Freunde und Familie emotional wesentlich wichtiger sind als die Idole. Im Erwachsenenalter sei der Einfluss nicht mehr so stark, stellt Wegener fest. Erwachsene Fans bewundern ihre Idole meist aus „Nostalgie und Erinnerung an eine andere Zeit“.

Doch gerade unter Erwachsenen ist immer wieder zu beobachten, dass viele ihr Interesse an Klatsch und Tratsch nicht offen zugeben wollen. Laut Wegener gibt es dafür zwei Gründe: Berichte über Prominente gelten als „seichte“ Unterhaltung und „nicht gesellschaftlich relevant“. Außerdem ist das Interesse an Prominews in der Öffentlichkeit nicht so gut angesehen, weil das genauso negativ sei, wie selbst Klatsch zu verbreiten.

Die Verehrung von Idolen und das Interesse an Klatsch und Tratsch könnten einen gemeinsamen Nenner haben: die Flucht aus dem Alltag. Die Bilderfluten aus Amsterdam, London und Co. erfreuen und amüsieren uns und bringen uns manchmal auch zum Träumen ...