Den Eurovision Song Contest gewann – wie erwartet – die Dänin Emmelie de Forest

Malmö. Sehen wir es positiv: Große Siege gehen oft mit kleinen Worten einher. Die Dänin Emmelie de Forest, 20, wusste nach ihrem Gewinn des Eurovision Song Contest (ESC) überhaupt nichts zu sagen außer: „Ich bin das glücklichste Mädchen in der Welt.“

Dass andere Mädchen in ihrem Alter mehr Probleme mit der Zuordnung von einfachen Dingen haben können, hatte eine Stunde vorher Lena Meyer-Landrut bewiesen. Punktevergabe ist kein so leichtes Geschäft, wie es zunächst aussieht. Man muss ja drei Länder nennen, Norwegen ist nicht Dänemark oder umgekehrt. Bei der Verlesung hatte Lena fröhlich gerufen: „Zehn Punkte gehen nach Norwegen“ – dann ihren kapitalen Fehler bemerkt und korrigiert: „Zehn Punkte gehen nach Dänemark.“

Dänemark also. Die haushohe Favoritin siegte, von Anfang an lag Emmelie de Forest bei der Punktevergabe vorne. Achtmal bekam Dänemark zwölf Punkte, das ist kein herausragender Wert. Und doch schien der Sieg nie gefährdet (284 Punkte), auch weil die Ukraine und Aserbaidschan mit Schmachtliedern sich um den zweiten und dritten Platz balgten. Am Ende hatte Aserbaidschan die Nase vorn (234 Punkte), auf Platz vier landete Mitfavorit Norwegen. Deutschland kam auf Platz 21 von 26. Das ist die schlechteste Platzierung seit 2008, als die No Angels Rang 23 von insgesamt 25 belegten.

Zum Hit wird das Lied durch die Sängerin, die, verletzbar und fordernd zugleich, halb Waldmädchen, halb selbstbewusste Elfe, den größten Teil Europas verzückt. Man weiß beim ESC nie, was man bekommt: Diese Regel wurde einmal mehr durchbrochen. „Only Teardrops“ ist ein schmissiger Popsong, der verschiedene Stile mischt, Flöten aus Irland importiert und Trommeln nutzt, die angeblich an Hans Christian Andersens Märchen erinnern sollen – ein Schmarrn.

Der erwartete Sieg hat Gründe und Folgen. Dänemark war mit das erste Land, das in diesem Jahr den nationalen Sieger kürte. Schon ab Ende Januar war Emmelie de Forest bei den ESC-Fans präsent, auch bei den Buchmachern. Da es sich eingebürgert hat, auf die Quoten zu schauen, begann eine selbsterfüllende Prophezeihung.

Für den ESC ist es äußerst problematisch, dass genau die Siege nachvollzogen werden, die vorausberechnet worden waren. Lenas Sieg 2010 war ähnlich klar gewesen wie Loreens Durchmarsch 2012 in Baku. Jurys und Wähler hielten sich an die Erwartungen. Das macht den ESC 2013 ziemlich langweilig, und es wird enorm schwer sein, daran etwas zu ändern. Positiv ist, dass Länder wie Malta (Platz sieben) und Italien (Platz acht) überraschend gut abschnitten. Beide präsentierten ungewöhnliche Lieder. Auch die Niederlande mit dem Trauerpower-Song „Birds“ (Platz neun) darf froh sein.

Cascadas Discomucke wirkte vor dem Fernseher befremdlich

In der Nacht sprach eine gefasste Natalie Horler von Cascada: „Es ist jetzt irgendwie ein bisschen blöd für Deutschland ausgegangen.“ Man kann ihr wenig Vorwürfe machen, die Sängerin hat in Malmö alles gegeben, die Halle stand während des Liedes voll hinter ihr. Damit geht die Analyse schon los. Die erklärten ESC-Fans haben mit Discomucke wie „Glorious“ wenig Berührungsängste, vor dem Fernseher wirkt das Lied schon eher befremdlich. Der Rückhalt für Cascada hierzulande fehlte, das hat mehrere Gründe.

Thomas Schreiber, Unterhaltungschef der ARD und ESC-Impresario der Deutschen, meinte, die Plagiats-Debatte habe dem Lied geschadet. Stimmt. Aber es war nicht Boshaftigkeit der Medien, die zu der Debatte führte, sondern schlicht die Tatsache, dass jeder Hörer bemerkte, wie ähnlich sich „Glorious“ und „Euphoria“ von Loreen sind, auch wenn das Notenbild von Experten später als ganz verschieden bezeichnet wurde, na toll. Das hat bei der ARD vorher keiner bemerkt, geahnt?

Cascada wurde von ihrer Plattenfirma Universal zur Teilnahme am ESC aufgefordert, die ARD hatte ausdrücklich wieder auf die Mitwirkung der Labels gesetzt, um das Ausscheiden von Stefan Raab, Pro7, der Produktionsfirma Brainpool auszugleichen. Eine gute Idee? Im Nachhinein eher nicht. Es fehlte der Takt angebende Kopf, der Musik mit cleverer Würde vermitteln kann. Thomas Schreiber vermutete weiter, Dance-Pop sei nicht die Musik von Jurys, viel eher des Publikums, das doch für Cascada gewesen sein müsse. Er will die Ergebnisse wie ein echter Verlierer erst einmal analysieren. Er könnte recht haben. Aber auch diese Erkenntnis lag nicht verborgen in dunklen Höhlen. Die ARD wollte es anders machen als zu Raab-Zeiten, musste es auch, weil das Castingformat schon bei Roman Lob 2012 nicht wirklich funktioniert hatte. Aber der komplizierte Voting-Weg des deutschen Entscheids mit Cascada als Ergebnis vor der allseits favorisierten Bayern-Blas-Band LaBrassBanda war nicht gut.

Als letzten Ausweg suchte Schreiber die Flucht in der Verschwörungstheorie: „Wir sind in einer schwierigen Situation, es gibt sicher auch eine politische Lage. Ich will nicht sagen ,18 Punkte für Angela Merkel‘. Aber man muss sehen, da stand nicht nur Cascada auf der Bühne, da stand auch Deutschland auf der Bühne.“

In Malmö stand auch Deutschland auf der Bühne

Ist das wahr? Deutschland bekam nur aus fünf von 39 Ländern überhaupt Punkte. Spanien gab drei, Albanien drei, Österreich sechs, Israel fünf, die Schweiz einen Punkt. Die westliche Popwelt hielt sich bei Cascada zurück, zero points. Dort gibt es wenig Grund, über die deutsche Finanzpolitik zu grollen. Nachbarn wie Niederlande, Dänemark, Frankreich, Belgien: Fehlanzeige. Gibt es dort eine derart starke Merkel-Aversion, um einer Dancepop-Nummer den Telefonanruf zu verweigern? Hm.

Falsches Lied, Punkt. Es bleibt dabei. Noch einmal: Cascada kann wenig dafür. Natalie Horler hat in Malmö überzeugt, das Abschneiden überraschte die Presse ebenso wie die Delegation. Zur falschen Zeit am richtigen Ort.