Die ESC-Siegerin löst in Dänemark helle Begeisterung aus. Bei ihrem Triumph dachte die 20-jährige Sängerin auch an ihren verstorbenen Vater. Nüchterner fällt die Nachbetrachtung in Natalie Horlers Heimatstadt aus.

Kopenhagen/Malmö/Bonn/Berlin. Die Dänen sind aus dem Häuschen, Deutschland ist bedröppelt: Während Cascada mit Frontfrau Natalie Horler hierzulande für Ernüchterung sorgt, kennt der Jubel beim nördlichen Nachbarn nach dem Sieg der Sängerin Emmelie de Forest beim Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö kaum Grenzen.

Der souveräne Grand-Prix-Sieg der 20-jährigen Dänin löste in ihrer Heimat helle Begeisterung aus. Die Kopenhagener Eurovision-Fans sangen „Sejren er vor“ („Der Sieg ist unser“) – wie nach Dänemarks sensationellem Finalsieg bei der Fußball-Europameisterschaft 1992 gegen Deutschland.

In den Zügen von der Eurovision-Halle im schwedischen Malmö über den Öresund ins nur 20 Kilometer entfernte Kopenhagen wurde nachts auch immer wieder der Refrain des Siegertitels „Only Teardrops“ angestimmt. Die Siegerin selbst meinte im Sender DR: „Es war unbeschreiblich. Ich bin bei der Auszählung vor Nervosität fast gestorben.“

Ihren Triumph bei dem Musikwettbewerb konnte sie erst gar nicht fassen. „Ich war total schockiert, als ich begriff, dass wir gewonnen haben“, sagte de Forest. Am Sonntagnachmittag (17.30 Uhr) will sich de Forest im Kopenhagener Tivoli den heimischen Fans zeigen.

Emmelie siegt für verstorbenen Vater

Zart, zerbrechlich, unschuldig, elfenhaft mit ihrem weißen Hemdchen-Kleid und barfuß - so wird Emmelie de Forest gesehen und beschrieben. Die Sängerin wurde am 28. Februar 1993 im dänischen Randers geboren. Die Mutter Dänin, der Vater Schwede - auch das schien perfekt zum souveränen Sieg der 20-Jährigen beim Eurovision Contest in Malmö zu passen.

„Ich freu mich so, dass ich für mein Land und dann auch noch in Schweden gewonnen habe. Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Er wäre so stolz gewesen“, sagte die vorher als Dauerfavoritin gehandelte Dänin in ihrer Siegesnacht. De Forest erzählt, dass sie schon im Alter von neun Jahren gern gesungen hat und mit 14 auf Festivals auftrat. Seit 2011 lebt sie in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und studiert dort Gesang. Mit vollem Namen heißt die Grand-Prix-Siegerin Emmelie Charlotte-Victoria de Forest.

Kurz vor dem Finale des internationalen Wettbewerbs wurde von den Medien gern und immer wieder über ihre Aussage berichtet, dass Emmelie wahrscheinlich eine Ur-Urenkelin der britischen Königin Victoria sei und damit eine Verwandte der heutigen Queen Elizabeth II.; Victorias ältester Sohn Edward VII. (1841-1910) habe viele uneheliche Kinder gehabt: „Eines von ihnen war mein Großvater - den hatte er mit einer österreichischen Prinzessin.“

Das las sich ganz prima und für viele hochinteressant, wurde aber vom dänischen Eurovision-Management dann irgendwann „aus dem Programm genommen“ - weil sich die Aussage nur schwer beweisen lässt. Seit Emmelie selbst den Eurovision-Thron erobert hat, muss sie auch keine Aufmerksamkeit mit angeblichen Beziehungen zu anderen Königinnen mehr erobern.

Weit entfernt von der Eroberung der europäischen Musikszene war am Sonnabend Deutschlands Vertretung von Cascada. Mit dem Song „Glorious“ landete die Band um Sängerin Natalie Horler nur auf Platz 21 von 26.

Kaum Begeisterung in Horlers Heimat

In Horlers Heimatstadt Bonn herrschte nach dem schlechtesten deutschen ESC-Ergebnis seit den No Angels im Jahr 2008 (Platz 23) aber eher gelassene Enttäuschung. Aber auch während des Musikwettbewerbs war dort schon kaum Stimmung aufgekommen.

Zum einzigen Public Viewing des Eurovision Song Contest in einer großen Veranstaltungshalle kamen nur knapp 200 Zuschauer. Keine Plakate, keine Fangruppen, niemand tanzte - Begeisterung sieht anders aus. Auch die Enttäuschung über Platz 21 hielt sich in Grenzen. Am Ende in der Nacht zum Sonntag auch keine Buh-Rufe gegen die Wertung.

Natalie Horler ist zwar Bonnerin, aber trotz ihrer internationalen Erfolge mit Dancefloor-Musik keine Lokalgröße und auch kein Aushängeschild der Stadt. Selbst im Falle eines Sieges war kein großer Bahnhof geplant.

Das Public Viewing fand im „Brückenforum“ statt, genau dort, wo Natalie vor ihrer Traumkarriere vor gut einem Jahrzehnt als Aushilfskraft an der Theke stand. Als sich für Germany die Punkte nur spärlich summierten, spiegelte sich meist Unverständnis in den Gesichtern.

Bonn für Horler eher Rückzugsort

Der 27-jährige Lukas Tack, der ganz in der Nähe von Natalie Horler im Stadtteil Beuel wohnt, meinte, sie habe Deutschland gut repräsentiert. „Mit ihrer professionellen Performance hätte ein Platz unter den Top Ten herauskommen müssen. Aber ihr Song war halt auch nicht was Neues.“

Der Geschäftsführer des „Brückenforums“, Jürgen Harder, der sie damals einstellte und als „stets gut gelaunt“ schildert, kann die Wertung nicht nachvollziehen: „Sie hat einen tollen Auftritt hingelegt und hätte mehr verdient gehabt.“

Dunja Hamacher, die mit Mann und Kindern kam und auch in der Nachbarschaft der Sängerin wohnt, war das Ergebnis nicht so wichtig. „Wir wollten einen schönen Abend haben.“ Es sei zwar bekannt, dass Natalie eine Bonnerin sei, aber „sie ist hier ja nie zu sehen“.

Für Horler, die auch in London lebt und viel auf Tourneen unterwegs ist, ist Bonn ein Rückzugsort. Hier leben auch ihre Eltern. Sie ist in Bonn geboren und groß geworden. Auch ihr Glitzerkleid wurde in Bonn geschneidert – von Designerin Katja Convents. Und für die gute Figur sorgte ihr Bonner Personaltrainer Niko Schmitz.

Deutliche weniger Zuschauer als zu Lena-Zeiten

Auch beim deutschen Fernsehpublikum spielte der ESC diesmal eine kleinere Rolle als in den Jahren zuvor. Der Gesangswettbewerb erreichte mit 8,21 Millionen Zuschauern eine solide Quote, aber es waren schon mal deutlich mehr. Vor allem in den Jahren der Lena-Manie war der ESC ein Quoten-Highlight für die ARD.

So sahen Lenas Sieg im Jahr 2010 im Schnitt 14,69 Millionen Zuschauer - und auch bei der deutschen Ausrichtung ein Jahr später schalteten sich der TV-Show im Schnitt noch 13,93 Millionen Zuschauer zu.