Gelungene Probe der deutschen Band Cascada für den Eurovision Song Contest. Heute steigt das erste Halbfinale für die große Show am Sonnabend

Malmö. Natalie Horler hopst zum Aufwärmen auf einer Art Podium, wirft die Beine wie ein Funkenmariechen, schreitet dann stürmisch über die weitläufige Bühne und singt ihr Lied „Glorious“. Ihr Kleid glitzert champagnerfarben und beige, von dem Kenner leicht despektierlich sagen, es sei ein Vokuhila-Kleid.

Erste Probe für Cascada in Malmö, wo die Bonner Dancepop-Gruppe am Sonnabend den Eurovision Song Contest (ESC) für Deutschland gewinnen will. Es ist unklar, ob es schon die richtige Show-Ausstattung war, die laut Natalie Horler irgendwie golden sein soll. Jedenfalls hat es Designerin Katja Convents entworfen, die auch für „Let’s Dance“ Kostüme schneidert. Allerdings wird ein entscheidendes Detail garantiert nicht so bleiben. Horler verzichtete nämlich auf etwas Grundlegendes, das aber erst am Ende verraten wird.

Die Probe war gut, heißt es, der Aufruhr groß. Alle in Malmö sind zufrieden. Auch ESC-Experte und Kommentator Peter Urban sagt mittlerweile: „Die Chancen für Deutschland sind besser als ich ursprünglich dachte.“

Eigentlich war Cascada schon wieder in Vergessenheit geraten, seit die Band im Februar den nationalen Wettbewerb überraschend gewonnen hatte. „Glorious“ klang vielen Zuhörern verdächtig nach dem Vorjahressieger „Euphoria“, das bescherte Deutschland eine musikologische Debatte. Eine Phonetikerin benannte Übereinstimmungen im Aufbau beider Lieder, auch bei den Atemstilistiken der Sängerinnen. Die Wohlmeinenden sagten damals, Dancepop-Songs seien nun nicht auf Unterschiede, sondern auf die Wiederkehr des ewig Gleichen getrimmt. Beats, Keyboardflächen, Power-Pathos-Gesang. Bloß keine Abweichungen.

Trotzdem bemühte der NDR einen Sachverständigen für Plagiatsfragen, der ähnliche Keybordbegleitfiguren erspähte, aber dann zu dem Schluss kam, das „vokale Ideenwerk von ,Glorious‘ und ,Euphoria‘ ist deutlich verschieden.“ Außerdem sei das Notenbild unterschiedlich, urheberrechtlich deshalb keine Verletzung zu beanstanden.

Cascada sind weltweit erfolgreich

Cascada, dieses Trio mit Natalie Horler, Yann Pfeifer und Manuel Reuter, sind weltweit erfolgreich und in etlichen Ländern viel bekannter als hierzulande. Klar, Alben mit Titeln wie „Evacuate The Dancefloor“ taugen nicht zur Gesundung der deutschen Seele, und das war in den letzten Jahren das erklärte Ziel der deutschen ESC-Beiträge. Nur so kam der Gesangswettbewerb überhaupt wieder ins Blickfeld der großen Öffentlichkeit. Als bürgerliche Vorbildtochter hüpfte Lena durch Europa, selbst der stets schüchtern wirkende Roman Lob heimste 2012 mit seinem achten Platz Respekt ein.

Natalie Horler, 31, ist Kontrast. Die britische Staatsbürgerin kommt nicht aus dem Nichts. Sie ist seit mehr als zehn Jahren Profi. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ saß sie 2012 in der Jury. Sie lacht gerne laut und aufreizend, sie ist selbstbewusst und zugleich lakonisch. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erklärte sie eben, sich für den „Playboy“ fotografieren zu lassen sei schon deshalb dufte, weil da die Fotos so vorteilhaft retuschiert würden. Bei Blondinen-Witzen lache sie mit. Horler kokettiert mit ihrem Image als sehr bodenständige Power-Frau, die die Nächte bei Auftritten durchtanzt.

Das alles sagt über die Chancen von Cascada wenig bis gar nichts aus. Es gibt in jedem ESC-Jahr eine Fraktion mit Dancepop-Sängerinnen, ganz einfach, weil das europaweit globalisierte Klänge sind, die nur empfindsamen Romantikern richtig wehtun. Von nationalen Eigenheiten ist kaum die Rede. Das Lied der bei Buchmachern als Favoritin geltenden Dänin Emmelie de Forest, 20, beginnt mit irisch anmutenden Flöten, dann wird geweint („Only Teardrops“).

Kitsch, Glamour-Schocks, Irrsinn: Die ukrainische Sängerin etwa wird von einem Hünen auf die Bühne getragen und dort im Bodennebel abgelegt, bevor sie aufsteht und singt. Großbritannien hat aus dem Desaster 2012 mit dem 76 Jahre alten Schmacht-Veteranen Engelbert (vorletzter Platz) wenig gelernt. Diesmal entsendet die Nation, die Pop erfunden hat, Rock-Veteranin Bonnie Tyler, 61.

Es gibt also viele Gründe, das Schaulaufen der ESC-Kandidaten bis zum Finale zu verfolgen. Bleibt die Frage: Was fehlte nun bei der Probe in Malmö?

Nun, Natalie Horler hopste barfuß auf dem Podium und die Showtreppe hinunter. Sie trug einfach keine Schuhe. Man muss daran erinnern, dass im vergangenen Jahr Siegerin Loreen mit einem Walla-Walla-Kleid auftrat – und barfuß. Uiih, hier wächst hoffentlich nicht noch eine Plagiats-Debatte heran.

Erstes Halbfinale heute, 21 Uhr (Einsfestival). Zweites Halbfinale 16.5., 21 Uhr (Einsfestival, Phoenix). Finale 18. Mai, 21 Uhr (ARD).