Der junge Berliner Jonny K. stirbt nach einer Gewaltorgie am Alexanderplatz. Sieben Monate später beginnt der Prozess gegen sechs mutmaßliche Angreifer. Wer hat welchen Anteil an der Bluttat?

Berlin. Zum Prozessauftakt um die tödliche Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz haben die Verdächtigen die Schuld am Tod von Jonny K. bestritten. Zudem belasteten sich die sechs Angeklagten zum Teil gegenseitig. „Ich habe ihn weder geschlagen noch getreten“, hieß es in der persönlichen Erklärung des 19-jährigen Onur U., die sein Anwalt Axel Weimann vor dem Landgericht verlas. Er habe mit dem Tod des 20-Jährigen nichts zu tun, die anderen wollten alles auf ihn schieben. Der Fall hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Laut Staatsanwaltschaft soll der junge Mann, der monatelang in der Türkei untergetaucht war, den Angriff provoziert haben. Dabei wurde auch ein Freund von Jonny K. schwer am Kopf verletzt. Onur U. hatte sich erst nach langem juristischen Tauziehen gestellt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich persönlich bei den türkischen Behörden in den Fall eingeschaltet.

Jonny K. war laut Anklage in der Nacht zum 14. Oktober 2012 mit wuchtigen Schlägen sowie Tritten vor den Rathauspassagen so heftig attackiert worden, dass er stürzte und auf Straßenpflaster aufprallte. Einen Tag später starb er an Gehirnblutungen.

Ein 24-jähriger Angeklagter soll laut Staatsanwaltschaft Jonny K. noch gegen den Kopf getreten haben, als dieser schon reglos am Boden lag. Der Angeklagte, der ebenfalls erst in die Türkei geflüchtet war, bestritt dies in seiner Erklärung, die von seinem Anwalt Friedhelm Enners verlesen wurde. Zugleich erklärte er: „Ich habe schweres Leid über die Familie gebracht.“ Er habe Jonny gegen einen Oberschenkel getreten. Der Anwalt sagte am Rande, das Verhalten aller sechs sei nicht nachvollziehbar. „Es gab keinen Plan.“

Vier der sechs Männer zwischen 19 und 24 Jahren wird gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen, zwei müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Da kein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden konnte, sei eine Mordanklage nicht in Frage gekommen, so die Staatsanwaltschaft.

Der frühere Boxer und Deutsch-Türke Onur U. räumte in seiner Erklärung ein, in jener Nacht den dunkelhäutigen Begleiter von Jonny K. mit beiden Fäusten zehn- bis zwölfmal ins Gesicht geschlagen zu haben, als er nach einer Party auf dem Weg nach Hause gewesen sei. Die anderen, jetzt Mitangeklagten, habe er nur flüchtig oder gar nicht gekannt. Darunter sind drei in Berlin geborene Cousins mit griechischer Staatsangehörigkeit.

Die Angeklagten bedauerten in ihren Erklärungen oder in persönlich vorgetragenen Stellungnahmen die Tat und entschuldigten sich bei der Familie des Opfers. Dessen Schwester Tina K. tritt als Nebenklägerin auf. Die 28-Jährige engagiert sich seit dem Tod ihres Bruders öffentlich gegen Gewalt und tritt für Zivilcourage ein. Sie sagte am Rande, die Tat sei nicht zu entschuldigen. „Ich will einfach, dass die Wahrheit rauskommt.“

Jonny K. wollte mit einem Bekannten einen betrunkenen Kumpel auf einem Stuhl vor dem Lokal absetzen. Als dieser laut Anklage heruntergestoßen wurde, habe sich der Bekannte von Jonny K. eingemischt. Daraufhin wurde er angegriffen und zusammengeschlagen. Der Freund von Tina K. wird später als Zeuge erwartet.

Onur U. sagte aber, er habe Jonny K. zunächst nicht wahrgenommen. Später dann habe er ihn gesehen: „Der Junge lag da einfach nur – als ob er schlief.“ Aus Angst vor einer Vorverurteilung sei er zudem so lange in der Türkei gewesen.