Auf der Mailänder Möbelmesse Salone Internazionale del Mobile haben die Hersteller vor allem nach neuen Verkaufskonzepten gesucht. Wohnlichkeit und Komfort sind wieder gefragt.

Mailand. Wer in diesen Tagen nach Italien reist, kommt am Thema Finanzkrise nicht vorbei. Der Binnenmarkt ist in den südeuropäischen Ländern zum Erliegen gekommen. Auf der Mailänder Möbel- und Designmesse Salone Internazionale del Mobile, die weltweit als trendbestimmend gilt, ging es deshalb nicht nur um Gestaltungstrends. Die Designwirtschaft sucht vor allem nach Konzepten, um neue Käuferschichten zu erschließen.

„Es reicht nicht mehr aus, innovative und qualitativ hochwertige Produkte anzubieten“, sagt Claudio Luti, Präsident der Messegesellschaft Cosmit. „Dafür ist der Wettbewerb einfach zu stark. Die Unternehmen müssen vor allem eine perfekte Strategie für den Verkauf entwickeln.“ In Zeiten des Internethandels ist vor allem der Preis ein wichtiges Instrument, um neue Kunden zu gewinnen. Auffallend viele Hersteller brachten deshalb in diesem Jahr Produkte auf den Markt, deren Preisniveau niedriger angesetzt ist. Fritz Hansen ist bekannt für die Fertigung teurer Design-Ikonen. Nun stellt das dänische Unternehmen mit dem „Ro“ einen Sessel des spanischen Designers Jamie Hayon vor, der für knapp unter 2000 Euro in den Handel gehen soll.

Der deutsche Hersteller e15 möchte seinen neuen Stuhl „This That Other“ von Stefan Diez für 250 Euro verkaufen. Das Designprodukt ist unkomplizierter konstruiert als die älteren Diez-Stühle bei e15. Es lässt sich damit billiger fertigen. Das Unternehmen möchte so erstmals in den attraktiven Markt der Möbel für Hotels, Büros und öffentliche Bauten vorstoßen.

Junge und Junggebliebene, die Freude an Mode und Kunst haben, stehen verstärkt im Visier der Vermarkter. In diesen Jahr setzt sich in Mailand deshalb der Trend fort, dass viele Designer im Alter von unter 40 Jahren den Markt erobern. Darunter der 1984 geborene Benjamin Hubert, der bei seinen Sesseln „Cradle“ für Moroso und „Membrane“ für Classicon mit leichtem, transparentem Strickgewebe arbeitet.

Sehr präsent war auf dem Salone der 1981 geborene deutsche Designer Sebastian Herkner. Pulpo zeigt dessen Beistelltisch „Layer“ als Neuheit, Moroso den Stuhl „Bangoli“. Der Hersteller Very Wood aus Italien produziert Herkners neuen Lounger „Unan“. Luca Nichetto, geboren 1976, ist der wichtigste Vertreter dieser Designer-Generation in Italien. Die Ausstellung seiner in Kooperation mit dem Japaner Oki Sato entworfenen Produkte war einer der Höhepunkte der Mailänder Designfestspiele.

Neben der Verbreiterung der Käuferschichten sind Verknappung und Verlangsamung eine weitere Antwort auf sich verändernde Marktbedingungen. Das Konzept der „Slow-Brand“ verfolgt konsequent das japanische Unternehmen Maruni Wood Industries. „Wir wollen nicht so viele Produkte entwickeln“, erläutert Naoto Fukasawa, Kreativdirektor bei Maruni. In diesem Jahr ist nur eine Bank von Jasper Morrison und ein Klappstuhl von Fukasawa zum Programm hinzugekommen.

Ungewöhnlich bescheiden bezüglich der Ausstellungsfläche präsentierte sich in diesem Jahr das britische Designlabel Established & Sons, seit Jahren Liebling der Szene. Sie stellen in einem Souterrain im Designviertel Ventura Lambrate aus. Dort zeigte das Unternehmen ausschließlich Einzelstücke, darunter ein Wandobjekt von Zaha Hadid und Arbeiten von Barber Osgerby.

Das Konzept: Established & Sons verkleinern das Angebot, um so die Nachfrage zu vergrößern. Außerdem verschafft sich der bis jetzt auf Design spezialisierte Produzent damit zusätzlich Zugang zu den Geldtöpfen des Kunstmarktes. Special Editions, Einzelstücke oder eine Produktion in kleiner Auflage etablieren sich seit einigen Jahren verstärkt auch im Konsumentenmarkt. Artek präsentierte in Mailand seinen legendären Hocker von Alvar Aalto nun auch als Edition, gestaltet von Modemachern wie Comme de Garçons oder Mads Norgaard.

In Zeiten der Krise suchen die Menschen Sicherheit und Rückzug in den eigenen vier Wänden. Die gute alte Gemütlichkeit ist bei vielen Herstellern deshalb ein Thema. Man darf endlich wieder üppig dekorieren, und die Topfpflanze kehrt zurück. Schön in Szene gesetzt war dieser Trend von der Designerin Jeanette Altherr bei der Gestaltung des Messestandes von Arper. Das italienische Möbelunternehmen produziert neu auch Accessoires, Kissen, Bezüge – und macht so die kühle Designwelt ein wenig heimeliger.

Selbst Konstantin Grcic, der sonst großen Wert auf eine gewisse Sperrigkeit legt, arbeitet mit an der Ausweitung der Kuschelzone. Der Münchner hat für Magis mit der Produktserie „Traffic“ gleich eine ganze Kollektion von Sofas und Sesseln entworfen. „Eigentlich mag ich keine Polstermöbel“, entschuldigt sich Grcic aber prompt. Neben den spannenden Möbeln für Magis kommt seine vom amerikanischen Hersteller Emeco produzierte Stuhlserie „Parrish“ auf den Markt. Den Stuhl hatte Grcic ursprünglich für ein Museumsprojekt der Architekten Herzog & Meuron in der Nähe von New York entwickelt.

Die Präsentation des „Parrish“ war ganz nach dem Geschmack der Fangemeinde. In einem leerstehenden Ladenlokal, direkt neben der Mailänder Bar Basso, das Hauptquartier der Designpilgerer, stand eine Gruppe von Stühlen in komplett schwarzer Ausführung. Nachts schaltete sich wie im Technoclub ein flackerndes Strobolight hinzu – die gekonnte Inszenierung ist ebenfalls ein Instrument, um heute ein Produkt erfolgreich am Markt zu platzieren.