Der erkrankte Millionär Forrest Fenn vergräbt einen 20 Kilo schweren Schatz und hinterlässt Hinweise in Gedichten. Er löst einen neuen Goldrausch in den USA aus.

Santa Fe. "Weil ich dorthin alleine zog, und mit meinen Schätzen kühn, kann ich mein Geheimnis dort bewahren, und auf Reichtümer anspielen, neu und alt"

So beginnt nicht nur ein 24-zeiliges Gedicht, sondern auch ein moderner Goldrausch in den USA: Der 82 Jahre alte Millionär Forrest Fenn hat es geschrieben und glaubhaft versichert, es enthalte neun versteckte Hinweise auf eine Schatzkiste, die er vor drei Jahren in den Rocky Mountains versteckt habe. Irgendwo nördlich von Santa Fe.

Der Inhalt: Goldnuggets, seltene Goldmünzen, Tierfiguren aus der Zeit vor Kolumbus, antike chinesische Jadekunst, Edelsteine, Juwelengeschmeide. Gesamtgewicht: rund 20 Kilogramm. Und dazu auf dem Boden der Kiste eine Autobiografie, so klein geschrieben, dass man eine Lupe bräuchte, um sie zu lesen.

Forrest Fenn als ungewöhnlich zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Der erfolgreiche Galerist und Kunsthändler ohne Studium und jeden weiterführenden Schulabschluss hat einen ordentlichen Spleen. Er liebe Abenteuer, sagt er, und er wolle insbesondere die Kinder und Jugendlichen "weglocken von ihren Smartphones", damit sie endlich wieder einmal "echte Abenteuer erleben".

"Beginn es, wo warme Wasser stoppen, und führe es die Schlucht hinab, nicht weit, aber zu weit zu laufen, abgelegt unter dem Heim des Braunen."

"Der Nervenkitzel der Jagd" (The Thrill of the Chase) heißt folgerichtig ein Buch, in dem Fenn vor drei Jahren sein Gedicht veröffentlichte und über sein Leben und seinen Schatz schrieb. Bei Amazon werden gebrauchte Exemplare für gut 80 Dollar gehandelt. Neu kann man es, für 35 Dollar, nur in einem einzigen Laden in Santa Fe (immerhin auch online) kaufen, der Wahlheimat des gebürtigen Texaners. Zehn Prozent gehen an die Krebshilfe.

Eine Krebsdiagnose führte vor 20 Jahren zu Fenns Entscheidung, die Schatzkiste zu packen und zu verstecken. Der in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Sohn eines Lehrers, der von frühester Kindheit an in jedem Sommer mit seinen Eltern die abenteuerliche Landschaft des Yellowstone Nationalparks durchwanderte, wollte etwas "Besonderes" hinterlassen. Ärzte gaben dem Vater zweier Töchter und Großvater mehrerer Enkel damals nur noch eine kurze Zeit zu leben. Forrest Fenn besiegte die Krankheit. Doch an seinem Schatzplan hielt er fest. "Ich liebe Geheimnisse", sagt er lapidar.

Liegt der Schatz in einer Talsperre? Auf dem Grund eines Flusses? Das entsprechende Gedicht ist so verschwurbelt wie man es aus den Abenteuerbüchern seiner Kindheit kennt. Im Buch versichert der Autor, er sei "so wahr gegenüber der Geschichte, wie ein Mann den Durchschnitt dieser Wahrheit ermitteln kann, unter Beachtung des Faktums, dass einer meiner natürlichen Instinkte das Ausschmücken ist". Was mag das heißen? Es gibt ein Foto der geöffneten Schatzkiste, aber keinen Beweis dafür, dass Fenn ihn wirklich versteckte. Immerhin melden sich einige seiner Freunde zu Wort, die er in den Jahren, in denen er die Kiste packte, gelegentlich einen Blick hineinwerfen ließ, um ihre Reaktion zu testen. Doug Preston, der einen an Fenns vergrabenen Schatz angelehnten Thriller schrieb, gehört zu ihnen. "Ich bin 100 Prozent sicher, dass er wirklich hinausging und dieses Ding versteckte", sagt Preston. "Ich bin wirklich überrascht, dass irgendjemand, der ihn kennt, denken könnte, das sei nur heiße Luft. Das ist einfach nicht seine Art." Fenn sei "überhaupt nicht unehrlich".

Auf Facebook gibt es eine Seite, auf der Schatzsucher ihre Erfahrungen austauschen. Ein Autor vertreibt ein Buch, das über das Gedicht hinausführende Hinweise enthalten soll, wie der Schatz zu finden sei. (Warum der Schreiber nicht lieber loszog, um das Gold selbst zu bergen, bleibt unklar.) Das Inn and Spa at Loretto, ein Vier-Sterne-Hotel in Santa Fe, bietet in Zusammenarbeit mit Fenn ein "Thrill of the Chase"-Paket bei einem Mindestaufenthalt von zwei Tagen, samt Exemplar seines begehrten Werkes und Schatzjagd-Exkursionen in die Umgebung. Zimmerpreis ab 279 Dollar, Begrüßungscocktail inklusive.

Damals, als er noch glaubte, bald an Krebs zu sterben, erwog Fenn auch recht makabre Varianten seiner Schnitzeljagd. Vorübergehend wollte er sich selbst, oder aber doch seine Knochen, in oder bei der Schatzkiste finden lassen. Die Inszenierung des einsamen Sterbens neben dem Gold erschien ihm dann aber doch als zu umständlich, und vielleicht auch als zu rücksichtslos gegenüber möglichen Findern, die schneller hätten kommen können als die fortgeschrittene Verwesung. Inzwischen mag Fenn auf einen glücklichen Finder noch zu seinen Lebzeiten hoffen. Darum hat er weitere Hinweise in Interviews gegeben, etwa den, dass er nie gesagt habe, er habe die Kiste vergraben.

Und wenn der Schatz am Ende doch nie gefunden wird? Dann hätte Forrest Fenn immerhin die Fantasie und die Abenteuerlust vieler Menschen angeregt. Was ist, verglichen damit, eine Kiste Gold? Zumindest, so lange man nicht die Wahl hat.

"So lauschet mir alle und höret gut zu, Eure Mühen werden der Kälte wert sein, Wenn ihr tapfer seid, und im Wald gebe ich euch das Recht auf mein Gold"