Julia Pierson jobbte einst bei Disney World, jetzt ist sie Chefin aller Bodyguards des US-Präsidenten

Washington. Sie ist ein Kind Floridas: Julia Pierson, 53, die US-Präsident Barack Obama zur neuen Direktorin des Secret Service und damit zu seinem Chef-Bodyguard ernannt hat, wurde in Orlando geboren und studierte an der University of Central Florida. Sie ist ihrem Heimatstaat offenbar verbunden, aber sie wollte schon als Teenager mehr. Sie wollte reisen und fremde Länder sehen. Den buntesten Zugang vom sonnigen, aber oft etwas provinziellen Florida zur großen weiten Welt bietet Disney World.

Während ihrer Zeit an der High School jobbte Pierson im wohl berühmtesten Freizeitpark der Welt in Lake Buena Vista. Vom Parkplatzeinweiser über das Steuern von Ausflugsbooten bis zum abendlichen Paradieren unter den Masken von Mickymaus und Donald Duck tat sie alles. Vor sechs Jahren, damals schon Personalchefin der Behörde, die sie nun leiten wird, bilanzierte sie: "Bis heute denke ich, die Erfahrung aus dem Park über den Umgang mit Menschenmassen hat mir Fähigkeiten vermittelt, um meine Aufgaben beim Secret Service zu bewältigen."

Nach dem Studium wurde sie zunächst Polizeibeamtin, heuerte aber 1983 beim Geheimdienst an, zunächst als Special Agent in Miami. Die Aufgaben des "USSS", wie die 1865 gegründete Behörde im Bürokraten-Amerikanisch heißt, sind die Aufdeckung von Währungs- und Wirtschaftskriminalität und der Schutz der wichtigsten US-Politiker. Insbesondere die Präsidenten, die First Familys, die Vizepräsidenten, Präsidentschaftskandidaten und ausländische Staatsgäste werden vom Secret Service geschützt. Julia Pierson gehörte zu jenen Agenten, die regelmäßig auf Armlänge an George

Bush, Bill Clinton und George W. Bush herankamen. Ausgesuchte Beamte des Secret Service reisen in der Air Force One und in der Limousinen-Kolonne mit, Pierson war eine von ihnen. Später kletterte sie die Karriereleiter hinauf, leitete Abteilungen und arbeitete in den vergangenen vier Jahren als Stabschefin von Direktor Mark Sullivan. Er wurde im Februar in den Ruhestand verabschiedet. Pierson folgt ihm nun.

Der Ex-Chef weiß nur Gutes über seine vormals engste Mitarbeiterin zu sagen: Pierson zeige in ihrer Arbeit "gesundes Urteilsvermögen, Führungsstärke, Charakter und Hingabe für unser Land, die Männer und Frauen beim U.S. Secret Service und jene, denen wir dienen und die wir schützen". Der Präsident selbst setzt ebenfalls großes Vertrauen in seine oberste Beschützerin: "Julia ist außerordentlich qualifiziert, um die Behörde zu leiten", ließ Obama wissen. Sie habe eine "beispielhafte Karriere gemacht, und ich weiß, diese Erfahrungen werden sie leiten, wenn sie ihre neue Herausforderung angeht, die beeindruckenden Männer und Frauen dieser wichtigen Behörde zu führen".

Aus dem Weißen Haus wurde gestreut, die Entscheidung für eine Frau an der Spitze des Secret Service solle zudem die gelegentlich recht machohafte Anmutung des USSS korrigieren. Das Bild war entstanden durch Hollywood-Blockbuster wie "In the Line of Fire" mit Clint Eastwood oder "The Sentinel" mit Michael Douglas, in denen eisenharte Secret-Service-Agenten ihren Mann stehen.

Im Mai vorigen Jahres allerdings verrutschte dieses öffentliche Bild - ins Rotlicht. Damals waren echte Secret-Service-Agenten im kolumbianischen Cartagena als Vorauskommando im Einsatz, um einen Gipfelbesuch Obamas vorzubereiten. Abends vergnügten sie sich in einem Stripclub, leerten etliche Flaschen Wodka und nahmen Prostituierte, die sich selbst als Escort-Ladys bezeichneten, mit in ihre luxuriösen Hotelzimmer. Als Bezahlung wurden jeweils 800 Dollar ausgemacht, versichert glaubhaft eine der Damen. Aber ein Galan, der sich am nächsten Morgen auf Gedächtnislücken wegen Trunkenheit berief, wollte seine Begleiterin mit 30 Dollar abspeisen. Es kam im Hotel zu lautstarkem Streit. Kolumbianische Polizisten versuchten zugunsten der Prostituierten zu vermitteln.

Die Geschichte wurde öffentlich, beschäftigt inzwischen Gerichte und verdunkelt seitdem als "Cartagena-Sex-Affäre" das Bild von den heldenhaft diskreten Agenten im selbstlosen Dienst für den US-Präsidenten. Neun Agenten quittierten ihren Dienst oder gingen in Ruhestand. Auch Sullivans Abgang mag sich durch den Skandal beschleunigt haben.

Da kommt eine Frau als Nachfolgerin gerade recht. Aber Pierson, über deren Privatleben kaum etwas bekannt ist, dürfte Obama noch aus einem anderen Grund hochwillkommen sein. Seit Hillary Clinton als Außenministerin ausschied und seine Favoritin Susan Rice ihr wegen heftigen Widerstands im Kongress nicht folgen konnte, werfen Kritiker dem Präsidenten einen Mangel an Frauen in Schlüsselpositionen vor.