Türkische Mutter und sieben Kinder sterben bei Brand in Backnang. Haus war in marodem Zustand. Warnungen ignoriert

Backnang. Schon wenige Stunden nach der Brandkatastrophe im schwäbischen Backnang erinnern Plüschtiere und Blumen an die acht Todesopfer. Ein paar Meter entfernt tragen Einsatzkräfte die Leichen der sieben Kinder und einer Frau aus dem Haus in der Innenstadt - abgeschirmt durch eine schwarzen Zeltplane. Die Opfer - darunter ein sechs Monate altes Baby - waren wohl im Schlaf überrascht worden, sie erstickten im Qualm, ehe ihre Leichen Feuer fingen. Nur ein Elfjähriger konnte sich mit seiner Oma und seinem Onkel in Sicherheit bringen. Die Familie stammt aus der Türkei.

Der Familienvater erreicht erst später den Unglücksort. Dem Vernehmen nach hatte er sich von seiner Frau getrennt und war ausgezogen.

"Hier kennt jeder jeden", sagt eine Anwohnerin. Die Tragödie habe sich schnell herumgesprochen. Zahlreiche Nachbarn und Angehörige eilen herbei. Wegen der Herkunft der Opfer sind auch türkische Medienvertreter vor Ort. Der türkische TV-Sender CNN Türk machte seine Mittagsnachrichten mit dem Feuer auf. "Herzzerreißende Tragödie in Deutschland" oder "Türkische Familie in Flammen" titeln große türkische Zeitungen auf ihren Onlineseiten. Der türkische Vizeministerpräsident Bekir Bozdag spricht der Familie auf Twitter sein Beileid aus und erklärt: "Von Deutschland erwarten wir, den wahren Grund des Brandes ohne Platz für Zweifel aufzuklären und der Öffentlichkeit mitzuteilen." Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sein Innenminister Reinhold Gall (SPD) und der türkische Generalkonsul in Stuttgart, Mustafa Türker Ari, kommen selbst zum Unglücksort an einer ehemaligen Lederfabrik.

Das alte Fabrikgebäude scheint schon vor dem Feuer nicht mehr in bester Verfassung gewesen zu sein. Augenzeugen berichten von maroden Zuständen. Der Vater der Opferfamilie soll viele Reparaturen selbst erledigt haben. Ein ehemaliger Mieter erzählt von Problemen mit der Elektrik und dass er - wie auch die Betreiber eines Deutsch-Türkischen Kulturvereins und eines Getränkemarkts im Untergeschoss - den Vermieter, eine Erbengemeinschaft, schon mehrmals darauf hingewiesen habe. Erfolglos.

Nun liegen Ziegel auf der Straße verstreut. Immer wieder steigt Rauch auf. Polizeisprecher Klaus Hinderer sagt, das Gebäude müsse komplett abgerissen werden. Auf einen ausländerfeindlichen Akt deute nichts hin. Vielmehr spiele ein defekter Holzofen eine Rolle - die angeblich einzige Heizquelle in der Fünfzimmerwohnung.

Als sich das Feuer in der Nacht ausbreitete, war es nach Polizeiangaben ein Besucher des Clubs Merlin auf der Rückseite des Gebäudes, der die Feuerwehr alarmiert. Clubbetreiber Christos Kiroglou versuchte, in das Gebäude zu gelangen, er trat mehrere Türen ein. Der beißende Qualm drängte ihn aber zurück. Auf einer anderen Seite des Hauses gelang es ihm, den Weg für den Elfjährigen und die beiden Verwandten freizumachen. "Jeder hat das Möglichste gegeben, bis die Feuerwehr kam", sagt Kiroglou. Ein türkischer Reporter nimmt ihn in den Arm: "Sie sind unser Held."

Die Feuerwehr brauchte Stunden, um Herr über das Flammeninferno zu werden. Am Morgen war die Zahl der Toten zunächst noch unklar, im Laufe des Tages fanden die Rettungskräfte dann Leiche um Leiche.

Die Anteilnahme ist groß. "Ich habe den Eindruck, dass ein hohes Maß an Betroffenheit und Erschütterung herrscht", sagt Minister Gall. Vor einem Altenheim sitzen Frauen mit und ohne Kopftuch, weinen und trösten einander. In einer Moschee ein paar Häuser wird gebetet.

Polizeisprecher Hinderer bringt das Ausmaß der Katastrophe auf den Punkt. Er ist seit 42 Jahren bei der Polizei und war beim Amoklauf im nahe gelegenen Winnenden dabei, der sich an diesem Montag zum vierten Mal jährt. Er sagt: "Ich habe so was noch nicht erlebt. Nicht durch einen Brand."