Auf Öland in Schweden wurden sieben Menschen getötet. Täter unbekannt. Der Fall erinnert an einen Krimi des Autors Henning Mankell.

Stockholm. Flakeböle ist ein kleiner Ort auf der Nordhälfte der Insel Öland. Eine Handvoll Häuser liegen hier, die meisten von ihnen weit auseinander. Annika Norander und ihr Mann Gustaf Linder-Norander hatten sich gerade mit einer Pfanne "Ölandsk Lufsa" - einer Kartoffelspezialität der Insel - an den Abendbrottisch gesetzt, als es an der Tür klopfte.

Hinter den Eheleuten lag gerade eine turbulente Zeit. Sie waren bedroht worden, weil sich Gustaf Linder-Norander mit einigen Bekannten um eine größere Summe Geld gestritten hatte. Nun aber war das Problem so gut wie gelöst. Und sie sahen wohl keinen Grund mehr, misstrauisch zu sein, als es klopfte, denn sie öffneten - und empfingen ihren Mörder.

Was in den Stunden danach passierte, konnte die Polizei nicht vollständig rekonstruieren. Aber am nächsten Morgen bot sich einem Nachbarn, der zufällig vorbeikam, ein Bild wie aus einem jener düsteren Krimis von Henning Mankell: Überall lag hoher Schnee, es war eiskalt - und die Garage des Anwesens brannte lichterloh. Bis die Feuerwehr eintraf, hatten die Flammen auch auf das Haupthaus übergegriffen. Es konnte gerettet werden, die Garage brannte dagegen völlig ab. Die Türen des Hauses und der Garage waren von außen verriegelt gewesen, und in den Trümmern der Garage fand man drei verkohlte Leichen: Annika, Gustaf und ihren Hund.

Kurz darauf stand fest, dass die 55 Jahre alte Annika und das Tier vor dem Brand erschossen worden waren, den 57-jährigen Gustaf Linder-Norander hatte der Mörder mit einem Hammer erschlagen und möglicherweise vorher auch noch gefoltert.

Von nun an war auf Öland nichts mehr wie vorher. Denn der Doppelmord von Flakeböle war für Polizei und Anwohner ein Deja-vu des Grauens. Schon 2006 hatte man in einem Nachbarort ein erschossenes Ehepaar hinter verriegelten Türen in einem ausgebrannten Gebäude gefunden: Barbro Carlsson, +69, und Bertil Sandin, +66, hatten auf ähnlich grausame Art ihr Leben verloren. Dazu kommen drei weitere Brände in dieser Gegend mit jeweils einem Toten, bei denen die Ursache noch nicht geklärt werden konnte.

Rein kriminaltechnisch haben diese drei Brände jedoch keine Ähnlichkeiten mit den beiden Doppelmorden. Trotzdem: All diese Schreckszenarien fanden seit 2005 am Nordzipfel der sonst so idyllischen Ostsee-Insel Öland in einem Radius von nur wenigen Kilometern statt.

Nur knapp 12.500 Menschen leben auf der 16 Kilometer schmalen und 140 Kilometer langen Insel. Die innere Hochebene Ölands ist voller geheimnisvoller Relikte aus der Stein- und Eisenzeit, es gibt ein paar beeindruckende Mittelalterburgen und auffallend viele Mühlen aus dem 19. Jahrhundert. Ziemlich genau in der Mitte der langen Insel liegt an der Westküste das Schloss Solliden - die Sommerresidenz der schwedischen Königsfamilie. Jedes Jahr verbringt sie viele Wochen auf Schloss Solliden, und es ist inzwischen Tradition, dass Kronprinzessin Victoria am 14. Juli mit einer großen Musik-Show in der Inselhauptstadt Borgholm ihren Geburtstag feiert. Es gibt tiefe Wälder und faszinierende, unendlich lange weiße Sandstrände.

Und gerade hier, auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde, geht nun die Angst um. Vor allem im Norden der Insel, wo man den mörderischen Brandstifter am ehesten vermutet, misstrauen die Menschen einander. Wer ist es, der abseits wohnende Ehepaare ermordet und dann deren Haus anzündet?

Zusätzliche Nahrung bekam das Misstrauen, als der Kriminologie-Professor Leif Persson seine Meinung zu der Mord- und Brandserie äußerte: "Ich glaube, dass der Täter aus der Gegend stammt."

Nach dem ersten Doppelmord 2006 verdächtigte die Polizei einen Anwohner. Er hatte dem Ehepaar Carlsson/Sandin Geld geschuldet und außerdem kein Alibi. Aber es gab keine Beweise, und das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Merkwürdigerweise kannte dieser Mann auch das zweite Ehepaar, das ermordet worden war. Allerdings: Im dünn besiedelten Norden der Insel kennt sowieso fast jeder jeden.

Die Bewohner verschließen inzwischen nicht nur die Türen, sondern auch ihren Mund. Niemand will sich äußern, keiner etwas sagen - einige sind vor lauter Angst inzwischen sogar schon weggezogen.

Um wenigstens hier etwas zu helfen, kommt nun jeden Sonnabend die Polizei mit einem Campingwagen zu einem zentralen Platz in Löttorp, dem Hauptort von Nord-Öland. Bürger können fragen, aber auch Tipps geben. Polizist Thomas Lönnqvist sagt: "Immer wieder müssen wir erklären, dass ein Verdacht nicht ausreicht, um jemanden festzunehmen." Mehrere Hundert Personen hat die Polizei inzwischen verhört - wer der Mehrfachmörder sein könnte, weiß sie trotzdem noch nicht. Man ahnt noch nicht einmal, welche Motive es für die Morde geben könnte. So geht einstweilen die Angst auf Öland weiter um.

Die Königsfamilie lässt sich von all dem nicht erschüttern. Sie wird auch diesen Sommer in ihrem Schloss Solliden verbringen. Und das Kronprinzessinnenpaar Victoria und Daniel hat sogar ganz besondere Pläne für seine Zeit auf seiner Sommerinsel: Seit einigen Wochen baut es sich ein eigenes Haus im Schlosspark von Solliden. Es wird direkt am Meer liegen.