Diamanten-Räuber kamen mit Blaulicht und durchbrachen Zaun am Brüsseler Flughafen. Verletzt wurde niemand

Brüssel. Es waren Szenen wie in einem Actionfilm: Zwei schwarze Limousinen mit Blaulicht rasen auf das Rollfeld des Brüsseler Flughafens. Aus jedem springen vier vermummte Männer in Polizeiuniformen, mit Maschinengewehren in der Hand. Doch die vermeintlich Guten sind die Bösen. Die Sicherheitsleute, die gerade Diamanten in ein Flugzeug Richtung Zürich laden, haben keine Wahl und lassen die Räuber gewähren.

Mit Gewalt reißen die Vermummten die Ladeluke des Flugzeugs auf und holen 120 Päckchen mit Edelsteinen heraus. Wert: mehr als 37 Millionen Euro. Die Summe nennt später die Sprecherin des Antwerpener Weltzentrums für Diamanten (AWDC), Caroline De Wolf.

Der Coup lief am Montagabend in rasender Geschwindigkeit ab, insgesamt dauerte der Überfall gerade einmal fünf Minuten. Kaum hatten die acht Diamantenräuber die Beute verladen, brausten sie zurück durch das Loch im Zaun des Flughafengeländes davon - und verschwanden unbehelligt. Nur das ausgebrannte Wrack einer der beiden Limousinen in der Nähe von Brüssel wies später noch auf die Spur der Täter. Die Polizei steht vor einem Rätsel. "Wir haben noch keine Informationen über die Identität", räumte die Staatsanwaltschaft am Dienstag ein.

Es war das nahezu perfekte Verbrechen, bis ins letzte Detail geplant. Für die Ermittler steht außer Frage, dass Kenner am Werk waren. "Das war kein zufälliger Raubüberfall. Er war gut vorbereitet, das sind Profis", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Mit Uniformen und Blaulicht tarnten sich die Täter als Beamte. "Die wollten als Polizisten durchgehen."

Dass die Aktion unblutig verlief, ist wohl auch dem besonnenen Handeln der Überfallenen zu verdanken. Pilot, Kopilot und Wachleute verhielten sich ruhig - die Täter hatten keinen Anlass, ihre Waffen zu zücken. Die Passagiere hätten nichts bemerkt, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.

Wie viele Menschen an Bord waren, verrieten die Ermittler nicht. Die Sicherheitstransport-Firma Brinks, die nach Medienberichten für den Werttransport zuständig war, wollte den Vorfall nicht kommentieren und verwies auf die Staatsanwaltschaft.

Es ist nicht das erste Mal, dass am Brüsseler Flughafen Diamanten verschwinden. 2002 zum Beispiel erbeuteten Diebe Edelsteine im Wert von 1,5 Millionen Euro. Die fünf Männer arbeiteten regulär auf dem Flugfeld. Da war es für sie ein Leichtes, aus den Postsäcken vor der Verladung Postsendungen mit den Edelsteinen herauszufischen. Belgische Medien zählten am Brüsseler Flughafen in den vergangenen 18 Jahren fünf Überfälle.

Nach dem jüngsten Vorfall stellt die Diamantenbranche die Frage nach der Sicherheit am Brüsseler Flughafen Zaventem. "Jeden Tag werden Wertgegenstände ins Ausland gesendet", sagte AWDC-Sprecherin De Wolf. "Was uns bewegt, ist die Tatsache, dass ein Auto so leicht auf das Rollfeld des Flughafens gelangen konnte. Da stellen wir uns wirklich ernste Fragen."

Prompt wies der Flughafen den Vorwurf von Sicherheitslücken zurück. "Die strengen nationalen und internationalen Sicherheitsstandards" würden erfüllt, schrieb der Flughafen auf seiner Facebook-Seite.

In Belgien gehören Diamanten-Diebstähle zur Tagesordnung. Zielscheibe ist meist Antwerpen, das Zentrum des weltweiten Diamantenhandels. Traditionell wandern durch die Handelshäuser und Werkstätten der flämischen Hafenstadt vier von fünf weltweit gehandelten Rohdiamanten und etwa jeder zweite geschliffene Diamant. Sie passieren die "Diamantenmeile", das sind die streng gesicherten Straßen und Gassen hinter Antwerpens Hauptbahnhof. Dort liegen die Büros von rund 1800 Händlern, Schleifereien und Banken, die das Geschäft mit den Edelsteinen finanzieren, sowie von Firmen, die deren Transporte versichern.

Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Als erfolgreichster Coup ging der Einbruch im Diamantenzentrum in Antwerpen im Februar 2003 ins Guinnessbuch der Rekorde ein. Einbrecher ließen sich am Wochenende dort einschließen. Sie brachen 120 Schließfächer auf und erbeuten Diamanten und Wertpapiere für rund 100 Millionen Euro. Der Kopf der Bande wurde später geschnappt.