Russische Forscher analysieren hohen Eisenanteil der Teilchen. die Nasa schätzt Explosionsenergie auf das 30-Fache der Hiroshima-Bombe.

Moskau/Darmstadt. Russische Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben Teile des Meteoriten gefunden, dessen Explosion am Freitag im Ural schwere Schäden anrichtete und rund 1500 Menschen verletzte. Nachdem russische Taucher in dem See Scherbakul etwa 80 Kilometer von Tscheljabinsk entfernt erfolglos gesucht hatten, verkündeten Mitglieder der russischen Akademie der Wissenschaften nun, sie seien jetzt fündig geworden.

Tests hätten ergeben, dass es sich um echte Meteoritenteile aus dem Weltall handele, sagte Viktor Grochowski von der Universität in Jekaterinburg. Die rund um den Scherbakul-See entdeckten insgesamt 53 Teilchen seien alle nur wenige Millimeter groß.

Der Stein habe einen Eisengehalt von schätzungsweise zehn Prozent, außerdem enthalte er Chrysolit und Sulfit. Der Hauptteil des Meteoriten müsse sich im See befinden, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den Wissenschaftler. Der Meteorit gehöre zur Klasse "regulärer Chondriten", erklärte die Universität. Das Fundstück werde voraussichtlich "Meteorit von Scherbakul" genannt. Für die Wissenschaft sind Überreste von Meteoriten von großem Wert, da sie als übrig gebliebene Baustoffe von Planeten und Monden aus der Frühzeit des Sonnensystems gelten.

Als der Meteorit am Freitagmorgen über der mehr als eine Million Einwohner zählenden Stadt Tscheljabinsk und der gleichnamigen Region mit einem grellen Blitz und einer Druckwelle explodierte, barsten unter anderem zahlreiche Fensterscheiben. Fast 5000 Gebäude wurden beschädigt und nach jüngsten Angaben etwa 1500 Menschen verletzt.

Der Gesteinsbrocken war russischen Astronomen zufolge mit einem Tempo von rund 20 Kilometern pro Sekunde - 72.000 Stundenkilometern - durch die Atmosphäre gerast, heizte sich zu einem glühenden Feuerball auf und zerplatzte in einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern. Nach neuesten Berechnungen der europäischen Weltraumorganisation Esa hatte der Brocken ein Gewicht von 7000 bis 10.000 Tonnen.

Der Auftreffwinkel war nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa mit weniger als 20 Grad recht flach. Man gehe davon aus, dass die in der Atmosphäre freigesetzte Energie der Meteoritenexplosion etwa 30-mal so groß war wie die Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima.

Russische Medien sind voll mit Berichten von Augenzeugen, die zunächst meinten, ein Krieg breche los. Andere glaubten an eine fehlgeleitete Rakete der nahen Militär- und Rüstungsanlagen oder an Explosionen in Munitionsdepots, wie sie in Russland vorkommen. Wegen des grellen Lichtes und starken Rauches dachten nicht wenige auch an einen Zwischenfall in einer Atomanlage. Weil die Suche nach dem Meteoriten lange ergebnislos blieb, nahmen Spekulationen zu.

Vizegouverneur Igor Murog überraschte mit der Aussage, das auf dem zugefrorenen See bewachte sieben Meter große Loch sei wohl anderen Ursprungs. Dabei hatten sich viele gleich über die wie mit Zirkel und Säge geschaffene Öffnung gewundert. Das sah für manche eher wie die saubere Arbeit von Eisfischern aus, die das Gewässer für ihr winterliches Angelvergnügen mit viel Wodka nutzen.

Zumindest die Wasserproben seien unauffällig und auch ohne radioaktive Strahlung, teilten die Behörden jetzt mit. Fast täglich betonen offizielle Stellen, dass die gemessenen Strahlenwerte im natürlichen Bereich lägen.

Vor allem Atomkraftgegner aber verweisen auch auf die großen zusätzlichen Gefahren eines Meteoriteneinschlags. "Die Gebiete Tscheljabinsk und das benachbarte Swerdlowsk sind Orte, an denen sich Nuklearanlagen konzentrieren", warnte die Moskauer Stelle der Umweltorganisation Greenpeace.

Auch die große atomare Wiederaufarbeitungsanlage Majak liege ganz in der Nähe. Die russische Regierung verkenne das Risiko solcher Katastrophen für Atomanlagen, kritisiert Wladimir Tschuprow von Greenpeace.

Die vielen Astronomen, Militärexperten und Wissenschaftler machen in Expertengesprächen aber auch deutlich, dass der Meteorit wegen seiner geringen Größe und der extremen Schnelligkeit vorher nicht zu entdecken gewesen war. Im Sonnensystem seien rund 600.000 Asteroiden bekannt, teilte die Esa mit. Davon seien etwa 9000 sogenannte erdnahe Objekte, die wegen ihrer Flugbahn der Erde gefährlich nahe kommen könnten.

Die russische Regierung will über ein Frühwarnsystem nachdenken. So sollen gefährliche Objekte aus dem All künftig früher erkannt und unschädlich gemacht werden können.

Die Meteoritenexplosion über Russland erinnert an das Tunguska-Ereignis von 1908. Damals richtete ein Himmelskörper in Sibirien größere Verwüstungen an. Eine gigantische Druckwelle raste durch die bewaldete Einöde am Flüsschen Steinige Tunguska und knickte auf 2000 Quadratkilometern Millionen Bäume wie Streichhölzer um. In dem dünn besiedelten Waldgebiet kam nach offiziellen Angaben niemand ums Leben.