Die Mehrheit der Deutschen hält den Valentinstag für kommerziellen Quatsch. Für den Krisenfall gibt es eine Notfall-Hotline.

München. Für die Blumenhändler ist der Tag der wichtigste des Jahres, Restaurants bieten spezielle Menüs, Hotels Champagner mit Erdbeeren im Deluxe-Zimmer, und Mietwagen-Anbieter empfehlen "Kurz-Trip ins romantische Italien". Der Valentinstag ist längst nicht mehr nur der Tag der Liebenden, sondern auch zum Tag des Kommerzes geworden. Grund genug für viele Deutsche zu sagen: Was für ein Blödsinn. In einer repräsentativen Umfrage für das Magazin "Reader's Digest" hielten 60 Prozent der Deutschen den Valentinstag für "kommerziellen Quatsch".

Und die Zahlen geben den Verweigerern durchaus recht. Über 100 Millionen Euro setzt die Blumen-Branche nach Angaben des Fachverbandes deutscher Floristen (FDF) im Schnitt rund um den Tag der Liebenden um - vor allem mit der klassischen Rose. Nach FDF-Angaben wurden im vergangenen Jahr in der Valentinswoche rund 30 Millionen Rosen um den Globus geflogen. Nicht zuletzt deshalb haben auch Umweltschützer den Valentinstag inzwischen als Hassobjekt entdeckt.

Doch nicht nur die Blumen-Branche profitiert: Bei Hotels und Restaurants gibt es nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) immer mehr Komplettpakete mit Kerzenlicht, Champagner, exklusivem Essen und kuscheligen Hotelzimmern.

Ganz so einfach ist das bei allen (bestätigten) Kommerzvorwürfen aber nicht mit der kompletten Ablehnung, sagt die Kulturwissenschaftlerin Lina Wiemer, die an der Universität Freiburg eine Magisterarbeit geschrieben hat mit dem Titel "Was Geschenke über die Liebe erzählen - eine Analyse von Erzählungen über Paarbeziehungen". Auch wenn laut "Reader's Digest"-Studie vor allem die 30- bis 49-Jährigen mit betonten Liebesbekundungen am 14. Februar nichts anfangen können, voraussetzen dürfen sie das nach Ansicht von Wiemer in einer Beziehung nicht.

Die Bedeutung des Valentinstages sei im Vergleich zu der Zeit vor 20 oder 30 Jahren gestiegen, sagt der Sozialwissenschaftler Holger Herma von der Uni Hildesheim. "Mit dem Valentinstag muss sich jeder auseinandersetzen, ob er will oder nicht", sagt Wiemer. "Irgendwann kommt jedes Paar an den Punkt, an dem es sich fragt, wie man mit dem Tag umgehen soll." Denn das Schenken, so sagt sie, sei in Partnerschaften generell sehr wichtig. "Auch wenn Leute das Gegenteil behaupten." Bestimmte Gesellschaftsgruppen aber müssten "die Valentinstagsgeschichte" ablehnen - eben aus konsumkritischen Gründen. Wahrscheinlich sei das eher in gebildeten Gesellschaftsschichten der Fall.

Vor allem viele Jüngere haben heutzutage gar nicht mehr so richtig etwas gegen den Valentinstag, zeigt die Studie. Von den Verliebten zwischen 14 und 29 Jahren ist demnach die Mehrheit bereit, sich an diesem Tag etwas zu schenken. Nur 46 Prozent halten den Brauch für "kommerziellen Quatsch". "Generell sind traditionelle Werte Jugendlichen schon noch wichtig - und Partnerschaft auch", sagt die Jugendforscherin Martina Gille vom Deutschen Jugendinstitut in München. Nach Einschätzung des Floristenverbandes kaufen auch 15-jährige Jungs ihren Liebsten Blumen. "Da ist es aber eher die einzelne Rose als gleich der ganze Strauß", sagt eine Sprecherin. "Uncool auch im jugendsprachlichen Sinn ist der Valentinstag nicht, da das Zeigen von Emotionen und intimer Verbundenheit heute auch für männliche Jugendliche leichter möglich ist", sagt Sozialwissenschaftler Herma.

Wohin unterschiedliche Auffassungen des Feiertags möglicherweise führen können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2011. Ausgerechnet am Valentinstag demolierte eine vor Wut rasende Frau in Bielefeld mit einem Nudelholz und einem Messer das Auto ihres Ehemanns. Damit so etwas ein Einzelfall bleibt, haben Psychologen in München eine Notfall-Hotline zum Valentinstag eingerichtet. Rund 120 Menschen riefen dort im vergangenen Jahr verzweifelt an. Bei ihnen handelte es sich aber nicht etwa um frustrierte und einsame Singles, sondern um Männer und Frauen in Beziehungen, die gar nicht so recht wissen, wie ihnen geschieht.

Da musste die Therapeutin Sandra Neumayr als Vermittlerin auftreten, als sich eine Frau von ihrem Mann zum Tag der Liebe etwas wertvolles Silbernes wünschte - und einen teuren silbernen Messerblock bekam, weil sie doch so gerne kocht. "Er hat die Welt nicht mehr verstanden", erzählt Neumayr. Schließlich habe er sich doch so viel Mühe gegeben. Missverständnisse führen ausgerechnet am Tag der Liebe häufig zu kleinen und mittleren Krisen.