Belgiens meistgehasster Verbrecher will vorzeitig aus der Haft. Die Chancen sind gering

Brüssel. "Das Monster soll im Knast bleiben!" Vor dem Justizpalast in Brüssel marschierten am Montag empörte Belgier mit Plakaten. 120 Polizisten waren im Einsatz, es galt die höchste Sicherheitsstufe. Im Saal 014 wurde der Antrag eines Mannes verhandelt, dessen Verbrechen Belgien erschüttert haben. Marc Dutroux, 56, ist ein verurteilter Kinderschänder und Inbegriff des Bösen. Seit 1996 sitzt er im Gefängnis, 2004 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Deren Ende will Dutroux aber nicht abwarten, er hat einen Antrag auf vorzeitige Entlassung gestellt. Und erklärt, dass er bereit wäre, eine Fußfessel zu tragen. Seit Montag müssen die Richter darüber befinden, ob der Serientäter, der bei der Anhörung anwesend war, frei kommt. Dutroux betrat das Gericht durch den Hintereingang. Polizisten in schusssicheren Westen hatten ihn aus dem Gefängnis in Nivelles abgeholt. Im Justizpalast sperrten die Beamten Flure mit Stacheldraht ab.

Die Chancen für eine vorzeitige Entlassung stehen allerdings schlecht, denn seine Taten sind ungeheuerlich - und bis heute hat er keine Reue gezeigt. "Er hat sich nicht geändert", räumt selbst Dutroux' Anwalt Ronny Baudewijn ein. "Er ist im Kopf auf der Entwicklungsstufe eines Kindes stehen geblieben", sagt sein Psychologe Michel Matagne. Die Liste der Verbrechen ist lang. Schon 1989 war der Belgier wegen Entführung und Vergewaltigung minderjähriger Mädchen zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Nach nur drei Jahren ließ man ihn wieder laufen. Es dauerte nicht lange, bis der Pädophile wieder auf Mädchenjagd ging. 1995 verschwanden die damals achtjährigen Julie Lejeune und Melissa Russo. Die Polizei gab die Suche nach ihnen schon bald auf. Wenig später verlor sich jede Spur der Freundinnen An Marchal, 17, und Eefje Lambrecks, 18. Erst als Sabine Dardenne, 12, und Laetitia Delhez, 13, im Sommer 1996 nicht mehr zu ihren Eltern zurückkehrten, zog sich die Schlinge zu. Die Spur führte zu Marc Dutroux. In einem Kellerverlies in seinem Haus in Marcinelle finden die Beamten Sabine und Laetitia. Als sie seine Grundstücke durchkämmen, finden sie fünf Leichen, darunter die vier vermissten Mädchen. Julie Lejeune und Melissa waren verhungert, als Dutroux für drei Monate im Gefängnis saß. An und Eefje mussten sterben, nachdem Dutroux sie monatelang gefoltert und missbraucht hatte.

Es waren die Grausamkeit der Taten und ihr langes Unentdecktbleiben, die Belgien als Land der Abgründe auf die Landkarte hoben. Ein Staat, in dem die Menschen Comics, Bier und Pralinen liebten - bis Dutroux das Bild zerstörte. Fortan fragten sich die Belgier, wie so etwas passieren konnte. Das Land ist zerrissen. Die reichen Flamen regieren im Norden, im Süden fristen die Wallonen ihr Dasein. Ein Land, in dem der Zwang zur Zweisprachigkeit doppelte Strukturen förderte - und Ermittlungen im Wirrwarr der Zuständigkeiten regelmäßig im Sand verliefen. Der Fall Dutroux ist somit auch eine Geschichte über das Versagen des Staates.

Der Prozess gegen Dutroux begann 2004, acht Jahre nach dessen Verhaftung. Neben Dutroux war auch Ehefrau Michelle Martin angeklagt, die wegen Mittäterschaft zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde. 2012 entließ man sie vorzeitig, seitdem lebt sie in einem Kloster. Der öffentliche Aufschrei war danach groß - der Antrag ihres Ex-Mannes aber sendet Schockwellen durch das Land.

Dutroux "ist davon überzeugt, nichts Böses getan zu haben", sagt sein Arzt, Michel Matagne. Schließlich habe ihn sein Vater ebenfalls eingesperrt und misshandelt. Voraussetzung für Dutroux' Freilassung sind Gutachten, die belegen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Bei allem Verständnis, das der Arzt für seinen Patienten aufbringt - so weit würde er nicht gehen. Nicht einmal Dutroux' Anwalt geht davon aus, dass der Antrag Erfolg haben wird. "Es ist ein symbolischer Schritt", sagte Pierre Deutsch. Ein Schritt, der die Wunden der Opfer erneut aufreißt. Wann immer sich Dutroux an die Justiz wendet, werden sie darüber informiert. Sie haben zwar das Recht, dem Prozess beizuwohnen - aber zur Freilassung ihres Peinigers angehört werden sie nicht. Ein Opfer hat dagegen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.

Am Ende des Tages stand fest: Das Gericht wird am 18. Februar seine Entscheidung zum Antrag bekannt geben.