Das “Krümelmonster“ erpresst das hannoversche Keksimperium und fordert Schokolade für Kinder und Geld für Tiere. Bahlsen bietet Spende an.

Hannover. Als die Firma Bahlsen im vergangenen Herbst ankündigte, sie wolle die Produktion von Weihnachtsgebäck einstellen, brach ein Sturm der Entrüstung los: Das hannoversche Keksimperium knickte prompt vor dem Zorn der treuen Kunden ein. Erneut kleine Brötchen backen will Firmenchef Werner M. Bahlsen, 63, jetzt aber nicht auch noch im Umgang mit Gebäckdieben, Erpressern und einem selbst ernannten Krümelmonster: "Wir wollen unseren Keks zurück."

Der scheidende Ministerpräsident David McAllister schmollt in der Staatskanzlei mit den Wählern, der SPD-Sieger Stephan Weil zelebriert seinen Abschied als Oberbürgermeister, aber viele der 525.000 Einwohner der Landeshauptstadt Hannover kennen nur noch ein Thema: den dreisten Diebstahl des 20 Kilogramm schweren, vergoldeten Kekses in fünf Meter Höhe an der Front der Firmenzentrale im hannoverschen Stadtteil List. Wann er genau verschwand, ist unklar: Die Polizei nennt einen Zeitraum von 17 Tagen zwischen 4. und 21. Januar. Inzwischen gibt es Zeugenaussagen, die nahelegen, dass am 11. Januar mindestens zwei Diebe am helllichten Tage mit Leitern angerückt und den vergoldeten Keks von der Fassade entfernt haben.

Schon diese Nachricht hatte es sogar bis in die Hauptnachrichtensendung des österreichischen Fernsehens geschafft. Aber nun ist aus einem Diebstahl ein veritabler Kriminalfall geworden. Und alle Beteiligten schwanken, ob sie dem Fall noch etwas Lustiges abgewinnen können oder ob die Zeit vorbei ist, da man gute Miene zum bösen Spiel machen sollte. Sowohl die Firma Bahlsen als auch die Lokalzeitung haben Post bekommen: einen aus Zeitungsschnipseln zusammengesetzten Erpresserbrief - wie im Fernseh-Krimi. Darin wird gefordert, die Firma Bahlsen solle die ausgesetzte Belohnung von 1000 Euro an das Tierheim in Langenhagen spenden, und das Kinderkrankenhaus auf der Bult solle an einem Tag im Februar kostenlos mit Keksen beliefert werden - ganz offenkundig in der Geschmacksrichtung der Diebe: "Aber die mit Vollmilch und nicht die mit schwarzer Schokolade und nicht die ohne Schokolade." Und die Erpresser lassen keinen Zweifel daran, dass sie ihre Forderungen erfüllt sehen wollen: "Das ist ernst, sonst kommt der (goldene Keks) zu Oskar in die Mülltonne".

Firmenchef Werner M. Bahlsen sah sich am Mittwoch genötigt, vor Fernsehkameras deutlich zu machen, dass ihm nicht zum Lachen zumute sei: "Es ist eine Straftat, und wir wollen, dass die Sache aufgeklärt wird."

Alles nur ein Marketinggag?

Das Stammhaus des Keksgiganten ist ein beeindruckender Jugendstilbau aus Oberkirchener Sandstein, der auch im Weißen Haus in Washington oder im Prachtbau von Hapag-Lloyd an der Hamburger Binnenalster Verwendung gefunden hat. 1911 wurde er fertig und mit dem Keks in lichter Höhe geschmückt. Mehr als 100 Jahre hat er dort gehangen, Krieg und Bomben überstanden, getreulich gehalten von zwei Brezelmännern, deren Haare vergoldet sind und bei denen goldene Blätter für ein züchtiges Outfit trotz Nacktheit sorgen. An einem sonnigen Tag, wenn Haare und Blätter glänzen, wäre das Fehlen des Kekses vielleicht früher aufgefallen. Verschwunden ist das Symbol des Leibnizkekses jedoch im Schmuddelwetter.

Firmenchef Bahlsen sagte zunächst noch, dass man sich nicht erpressen lassen werde. Aber er hatte noch eine andere Botschaft, die ihm wichtig war. Inzwischen wurde gemunkelt, es könne sich beim mysteriösen Keksklau auch um einen Marketinggag handeln: "Das ist Unsinn, wir sind ein seriöses Unternehmen, mit solchen Dingen würden wir nicht scherzen."

Wortspiele aber bieten sich förmlich an in der Berichterstattung: Beißt sich die Polizei in Hannover vielleicht die Zähne an diesem Keks aus? Auf den Keks gehen dürften den Mitarbeitern der Pressestelle der Polizeidirektion die zahllosen Anfragen über Fahndungsmaßnahmen und Fahndungserfolge. Wie ernst das Bekennerschreiben samt Foto vom Krümelmonster mit dem Goldkeks zu nehmen ist, soll jetzt von den Spezialisten der Polizei geklärt werden: Ist das Foto echt, zeigt es also den geklauten Keks, oder sind hier Trittbrettfahrer am Werke? Und überhaupt sieht das Krümelmonster im Erpresserschreiben ein bisschen auch aus wie Kermit der Frosch. Tatsächlich sind solche Kostüme - auch der Stars der Sesamstraße - derzeit im Angebot für Karnevalsveranstaltungen.

Am Mittwochabend ging Bahlsen dann doch auf die Keks-Entführer zu und kündigte an, eine soziale Aktion zu starten, wenn das Kunstwerk zurückgegeben werde. So wolle der Keksproduzent dann 52.000 Leibniz-Kekse an 52 soziale Einrichtungen spenden.