Zweieinhalb Stunden haben die Friseure pro Show Zeit. Das entspricht einer Viertelstunde Vorbereitung pro Model und zehn Minuten Feinschliff.

Berlin. „Ich schwöre, ich wär so gerne wieder Frisör ... Haare, Haare, den ganzen Tag Haare“, singt Thomas D in einem Lied. Für André Märtens ist dieser Wunschtraum Realität. Er ist „Head of Hair“ der Mercedes-Benz Fashion Week. Das heißt übersetzt: Der 46-Jährige befehligt während der Modewoche in Berlin eine kleine Armada von Friseuren im Zelt am Brandenburger Tor. Gemeinsam mit seinem Team ist er für die Haare bei nahezu allen dort stattfindenden Schauen zuständig. Das bedeutet Styling im Akkord auf engstem Raum.

Das Team sei „komplett im Stress“, sagt Märtens. Eine Stunde bleibt am Dienstag noch bis zur Schau von Lena Hoschek, und der Designerin sind die Haarteile, die auf den Köpfen der Models drapiert werden sollen, zu eng. Also werden diese wieder etwas geöffnet. Zudem müssen einige der Knäuel auch noch an die natürliche Haarfarbe der Mädchen angepasst werden. „Wir müssen uns jetzt ganz schön beeilen“, sagt der Haar-Stylist und verschwindet flugs wieder im Gewühl.

Zweieinhalb Stunden hat seine Friseurriege etwa pro Show Zeit. Das entspricht einer Viertelstunde Vorbereitung pro Model und zehn Minuten Feinschliff. „Und wir müssen uns die Vorbereitungszeit unter anderem mit einer Durchlaufprobe, dem Make-Up und dem Fitting teilen“, sagt Märtens. „Das muss also Zack-Zack-Zack gehen.“

Meist werkeln daher bis zu drei Friseure gleichzeitig an einem Model. Etwa zehn dieser Gespanne haben sich am Premierentag der Fashion Week im Backstagebereich formiert. Im Hintergrund warten bereits die nächsten Mädchen wie die frühere „Germany’s next Topmodel“-Kandidatin Marie Nasemann auf ihre Rundumversorgung. Viel Raum fürs Arbeiten bleibt nicht. Zwischen Friseuren und Models wirbeln ständig Visagisten herum – hinzu kommen weitere Mitarbeiter, Kamerateams, Fotografen und Journalisten. Doch alle ertragen das Gezerre und Geschiebe mit stoischer Gelassenheit. Auch den Haarspray-Nebel, der immer wieder durch den engen Raum wabert. Alles wie aus einem klischeebeladenen Mode-Bilderbuch entsprungen.

Märtens muss in dem ganzen Gedränge die Übersicht bewahren. Ihm obliegt die endgültige Abnahme der Frisuren. Ausgedacht hat er sie sich lange vorher. Sechs bis acht Wochen vor der Fashion Week beginnt die Abstimmung mit jedem einzelnen Designer. Da werden Fragebögen und Bilder ausgetauscht und erste Ideen präsentiert. „Man muss immer fragen: Was möchte der Designer?“, sagt der 46-Jährige. „Möchte er einen Kontrast zu seiner Kleidung haben, oder möchte er im Thema seiner Kollektion bleiben.“ Seine Ideen holt sich Märtens aus dem Alltag. „Ich bin jemand, der mit offenen Augen durchs Leben geht“, sagt er. Doch bei jedem Entwurf gelte vor allem die zeitliche Umsetzbarkeit.

Um unvorhergesehene Probleme von Anbeginn auszuschließen, hat die heiße Vorbereitungsphase vor gut einer Woche begonnen. Seitdem probt das etwa 30-köpfige Team, das Märtens aus ganz Deutschland um sich geschart hat, in der L’Oreal-Akademie in Berlin – einer Art Friseur-Trainingslager. Bei allen unterschiedlichen Designerwünschen hat sich dabei eine Konstante abgezeichnet: „Der Trend zum Volumen“, sagt Märtens. Dieses Jahr dürfe es etwas glamouröser sein.