Weniger Unfälle und Tote trotz zunehmenden Verkehrs. Finnair beste unter 60 größten Fluglinien, Lufthansa auf Platz 11

Hamburg. Die Maschine befand sich schon im Landeanflug auf Nigerias Hauptstadt Lagos, als plötzlich beide Triebwerke ausfielen. Die Piloten gingen in den Segelflug über, doch die Distanz war noch zu groß. Etwa neun Kilometer vor der Landebahn stürzte die MD-83 in ein Wohngebiet und ging in Flammen auf. Alle 153 Insassen an Bord des Fluges Dana-Air 992 kamen ums Leben, weitere sechs Menschen am Boden wurden getötet. Die Unglücksursache ist noch nicht geklärt. Fest steht aber, dass dieser Absturz am 3. Juni der schlimmste Flugunfall des vergangenen Jahres war.

Auch andere Ereignisse, bei denen niemand zu Schaden kam, sorgten für Negativ-Schlagzeilen über die Fliegerei, beispielsweise einnickende Piloten, verdächtiger Ölgeruch in Flugzeugkabinen, Triebwerksprobleme und knapp betankte Flugzeuge bei Billig-Airlines. Dennoch gilt das zurückliegende Jahr nach Branchenangaben bereits als das sicherste in der Geschichte der Luftfahrt. Ein Trend, dem die Zivilluftfahrtorganisation IATA ebenso nachspürt wie andere Institutionen der Branche. Auch das deutsche Unfalluntersuchungsbüro JACDEC mit Sitz in Hamburg spricht von so wenigen Unfallopfern wie nie zuvor.

Selbst wenn jeder einzelne Unfall eine Tragödie darstellt: Die Zahl der Toten im weltweiten Zivilluftverkehr lag mit 496 Menschen noch knapp unter der des bereits guten Vorjahres 2011 (498 Tote). Die Zahl der Totalverluste sank von 45 auf 44 Flugzeuge, namhafte Airlines sind vor allem auch dank hoher Sicherheitsstandards kaum betroffen.

"Wenn man bedenkt, dass aktuell rund 2,8 Milliarden Passagiere jährlich weltweit unterwegs sind und knapp 40 Millionen Flüge im Jahr stattfinden, kann man von einem wirklich exzellenten Jahr für die Flugsicherheit sprechen", jubelt das Magazin "Aero International" in seiner jüngsten Ausgabe nach einem Blick ins Archiv.

Demnach passierte noch im Jahr 2000 statistisch alle 13,5 Tage ein tödlicher Unfall im Personenverkehr. "Im Jahr 1990 lag dieser Wert kaum besser als bei 14 Tagen; heute beträgt dieser Zeitraum für das Jahr 2012 mehr als 28 Tage." Als riskant gelten Regionalflüge auf Strecken von weniger als 500 Kilometern - hier ereigneten sich 2012 wieder die schlimmsten Unfälle. Regionalflieger haben unter oft widrigeren Umständen mehr Starts und Landungen als Langstreckenflieger.

Die Krone als sicherste Airline der Welt darf sich diesmal im JACDEC-Ranking die von Wetterrisiken aller Art arg gebeutelte Finnair aufsetzen. Ihr letzter Totalverlust eines Flugzeugs geht zurück in die 60er-Jahre, die Analysten bescheinigen ihr eine "bemerkenswert geringe Zahl von Zwischenfällen". Diese Zwischenfälle - sie müssen nicht unbedingt einen Unfall im klassischen Sinne darstellen - verhagelten der Air Berlin diesmal das Gesamtbild. Wegen einer gefährlichen Begegnung mit einem Ultraleichtflugzeug, einem geplatzten Reifen und einem Triebwerksproblem landete die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nun auf Rang 23. Selbst die Lufthansa ist wegen des von arabischen und asiatisch-pazifischen Gesellschaften dominierten engen Spitzenfeldes nur auf Rang elf zu finden, hinter British Airways. Die Briten sind mit der portugiesischen TAP die einzige europäische Gesellschaft unter den Top 10 der weltweit 60 sichersten Airlines.

Schlussfolgerungen aus solchen Statistiken sind jedoch stets mit Vorsicht zu genießen - selbst die Autoren der Liste geben zu, dass auch Air Berlin mit einem Platz auf Rang 23 als sicher anzusehen sei.

Regional sind nach Russland vor allem Konfliktländer in Afrika problematische Gebiete - der Kontinent bildet mit 214 Toten bei 16 zerstörten Flugzeugen das Schlusslicht. Dort wie auch in Pakistan betrafen die meisten Unfälle Hilfsflüge der Uno, die oft auf lokal gecharterte Propellerflieger zurückgreift. Schlechte Wartung, betagtes Fluggerät und widrige Flug-Umstände bilden oft den Hintergrund für Unfälle in diesen Weltgegenden.

Obwohl es 2012 in Europas Zivilluftfahrt keinen Unfalltoten zu beklagen gab, warnen die Analysten vor Sorglosigkeit. Denn die mit Abstand häufigste Unfallursache war ein Überschießen von Start- und Landebahn. Abhilfe ist denkbar - etwa durch Auslaufflächen oder neuartige spezielle Betonbetten (EMAS genannt) hinter der Bahn, die das Flugzeug schnell abbremsen.

Vor einem weiteren Risiko warnt die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit: geplante neue Flugdienstzeiten. Mehr als zehn Stunden lange Flugdienste in der Nacht seien eine Gefahr für die Sicherheit. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA sieht 14 Stunden als Höchstgrenze bei Kurzflügen und elf Stunden bei Nachtflügen vor. In den USA dagegen wurde die Grenze auf neun Stunden in der Nacht gesenkt. Immer wieder kommt es zu Problemen bei Flügen, weil Piloten Schlafmangel haben.