Prozess gegen Kino-Attentäter in USA beginnt. Psychologin hatte vor ihm gewarnt. Obamas Pläne zum Waffenrecht

Denver . Knapp drei Wochen nach dem Schulmassaker von Newtown in Connecticut rückt ein fast schon vergessener Amoklauf in den USA erneut in die Schlagzeilen. Von diesem Montag an steht der Attentäter James Holmes in Denver (US-Staat Colorado) vor Gericht. Der 20-jährige Student hatte am 20. Juli 2012 in Aurora, einem Vorort von Denver, in einem Multiplexkino während der Mitternachtspremiere des Batman-Films "The Dark Knight Rises" ein Blutbad angerichtet. Insgesamt zwölf Menschen starben, 58 wurden zum Teil schwer verletzt. Holmes hatte sich dabei mit rotgefärbten Haaren als "Joker" verkleidet, der Gegenspieler von Batman.

Der um 9 Uhr Ortszeit (17 Uhr MEZ) beginnende Vorprozess gegen Holmes ist auf eine Woche angesetzt und gilt für den weiteren Verlauf der Gerichtsverhandlungen als entscheidend. Die Staatsanwaltschaft, die insgesamt 166 Anklagepunkte vorlegen will, darunter Mord in zwölf und Mordversuch in mindestens 58 Fällen, muss dabei vor Gericht zwingende Beweise vorlegen, damit der Vorsitzende Richter William B. Sylvester den Hauptprozess eröffnen kann.

Bei den Anhörungen wird die Öffentlichkeit zum ersten Mal Einzelheiten über die Tat anhand von Zeugenaussagen, Notrufmitschnitten und Videoaufzeichnungen aus dem Kino und während des Amoklaufes erfahren. Überlebende, Hunderte Angehörige der Opfer und Journalisten aus aller Welt werden bei Gericht erwartet.

Viele Details der Tragödie, die auch auf ein mögliches Motiv des Amokschützen Holmes schließen lassen könnten, standen bisher unter Verschluss. Der Neurologie-Student an der Universität von Denver soll unter bipolaren Störungen leiden. Im November war er in seiner Zelle mehrfach mit dem Kopf gegen die Wand gerannt und musste von den Wärtern vor schwereren Verletzungen geschützt werden.

Wie die Polizei ermittelte, muss Holmes den Amoklauf bereits Monate vor der Tat geplant haben. Die drei Waffen, ein halbautomatisches Sturmgewehr vom Typ M-16, ein Jagdgewehr sowie eine Pistole, Kaliber 40 und mehr als 6350 Schuss Munition, hatte er völlig legal über das Internet gekauft. In Colorado, wo der Kauf einer Waffe sehr einfach ist, wird jeder neue Waffenbesitzer zwar vom FBI überprüft. Der sogenannte Background Check kann aber im Waffenladen telefonisch gemacht werden und dauert meist nur wenige Minuten.

Erste Anzeichen eines möglichen Amoklaufes gab es im März 2012, als Holmes gegenüber einem Kommilitonen gesagt haben soll, dass er "Menschen töte wolle". Im Juni fiel Holmes dann durch eine Uni-Prüfung und drohte seinem Professor mit Vergeltung. Am Tag danach behandelte ihn die Uni-Psychologin und unterrichtete die Campus-Polizei von einer möglichen Bedrohung. Der Alarm blieb ohne Folgen. Einen Monat später wurden die Befürchtungen der Psychologin blutige Realität.

Die Verteidigung hat angekündigt, Holmes wegen schwerer psychischer Probleme für nicht zurechnungsfähig zu erklären. Folgt das Gericht dieser Argumentation, ist eine mögliche Forderung der Staatsanwaltschaft nach der Todesstrafe kaum zu halten. Gerichtsexperten spekulieren ohnehin darauf, dass sich Holmes schuldig bekennen wird und Verteidigung und Staatsanwaltschaft einen Deal, eine lebenslange Gefängnisstrafe, aushandeln könnten. In diesem Fall würde es zu keiner Hauptverhandlung mehr kommen.

Während in dieser Woche das Gericht über das weitere Schicksal des Attentäters Holmes entscheiden wird, kündigten die Betreiber des Kinos an, den Betrieb am 17. Januar wieder aufzunehmen. Sie luden zur Eröffnung Angehörige und Familien der Opfer kurz nach Weihnachten und knapp zwei Wochen nach dem Schulmassaker in Newtown zu einem "Abend des Gedenkens" mit anschließender Filmvorführung ein. Welcher Film gezeigt werden sollte, ist nicht bekannt ein.

Die Betroffenen reagierten empört auf die Einladungen. "Ich möchte am liebsten, dass der ganze Komplex abgerissen wird und endgültig verschwindet", sagte Sandy Philipps, deren Tochter Jessica Ghali bei dem Anschlag getötet wurde. "Dieser Platz ist ein Schlachtfeld voller Toten."

US-Präsident Barack Obama plant nach Informationen der "Washington Post" eine breite Initiative gegen laxe Waffengesetze, die über das Verkaufsverbot von Sturmgewehren weit hinausgeht. Obama hatte aufgrund der Amokläufe von Aurora und zuletzt Newtown (US-Staat Connecticut), wo im Dezember ein 20-Jähriger in einer Schule 20 Kinder, sechs Erwachsene und sich selbst erschossen hatte, eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Die prüfe unter anderem Hintergrundchecks bei allen Waffenkäufern. Außerdem solle der Verkauf und der Wiederverkauf von Waffen auf nationaler Ebene beobachtet und registriert werden.

Als eine weitere Maßnahme seien schärfere Strafen gegen das unerlaubte Waffentragen etwa in der Nähe von Schulen ins Auge gefasst. Auch wer Schusswaffen an Minderjährige abgebe, müsse künftig mit härteren Strafen rechnen, schreibt die Zeitung unter Verweis auf namentlich nicht genannte Quellen.