Der russische Geheimdienst sammelte “Schmutz“. Er hörte auch Queen-Schwester Prinzessin Margaret ab, wie ein neues Buch enthüllt.

London. "Der Kreml gegen das Haus Windsor" ("The Kremlin v The Windsors - Palace Spies Of The Secret War") - so heißt ein im neuen Jahr erscheinendes Buch aus Russland, das erstmals schildert, wie der sowjetische Geheimdienst im Kalten Krieg das britische Königshaus bespitzelt hat.

Bis jetzt hatte Moskau stets bestritten, dass der KGB auch Englands Royals im Visier hatte. In einem Interview mit der russischen Zeitung "Komsomolskaja Prawda" hat der Verfasser des Buches, der renommierte Geheimdiensthistoriker Gennadij Sokolow, nun erste Einzelheiten genannt. Insbesondere ging er auf die jahrzehntelange Tätigkeit des verstorbenen Obersten Wadim Fjodorowitsch Gontscharow ein, der als Leiter des KGB-Direktoriums Operationen und Technologie das sowjetische Gegenstück zu James Bonds fiktivem Quartiermeister "Q" in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 war.

Gontscharow, dessen Karriere unter Diktator Stalin begann, überlebte mehrere Mordversuche. Er gilt als der Erfinder der drahtlosen Audioüberwachung mit sogenannten passiven Wanzen. Zu seinen größten Erfolgen zählt ein Lauschangriff auf die amerikanische Botschaft in Moskau, die fast acht Jahre lang unentdeckt blieb und KGB-Agenten erlaubte, Vieraugengespräche der US-Diplomaten mitzuhören. Die passive Wanze war in einer hölzernen Nachbildung des Großen Staatssiegels der Vereinigten Staaten versteckt, das die Sowjets im Februar 1945 dem damaligen US-Botschafter Averell Harriman präsentiert hatten. Harriman hängte das "Geschenk" in seinem Amtszimmer auf, ohne dass er und eine Reihe Nachfolger Verdacht schöpften.

Laut Historiker Sokolow gelang es Gontscharow sogar, den Salonwagen 10.205 der (west-)deutschen Bahn zu verwanzen, in dem Bundeskanzler Konrad Adenauer bei seinem Moskau-Besuch zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen im September des Jahres 1955 nächtigte.

Die Einsätze des KGB-"Q" sollen sich über mehr als 100 Länder erstreckt haben, wobei er immer einen Koffer "voll hochempfindlicher Ausrüstung" im Gepäck hatte. Im September 1964 reiste er damit nach Kopenhagen, wo Prinzessin Margaret, die jüngere Schwester der Queen, eine Britische Woche eröffnete. Im Jahr zuvor war der Profumo-Skandal geplatzt - der britische Kriegsminister teilte eine Geliebte, Christine Keeler, mit dem sowjetischen Marineattaché Jewgenij Iwanow -, und der Kreml war hoch interessiert daran, das britische Establishment zu unterminieren, möglichst bis hinauf ins Königshaus.

Gontscharow ging erfolgreich in der Hotelsuite der ketterauchenden Margaret zu Werke: Er versteckte Wanzen in ihrem Feuerzeug und Zigarettenetui, in den Aschenbechern und Telefonapparaten. Angeblich wurde er so Ohrenzeuge von Gesprächen, die "höchst interessant, sogar skandalös" waren, und von "betrunkenen Partys der britischen Prinzessin". Später erinnerte er sich jedoch enttäuscht: "Liebhaber kamen keine, obwohl sie einen Besucher hatte." Dennoch schickte er ein Dossier über Margarets Beziehung mit mehreren Liebhabern nach Moskau, darunter dem Jazz-Pianisten Robin Douglas-Home und dem Hofporträtmaler Dominic Elwes, die beide später Selbstmord begingen, sowie Colin Tennant, dem Besitzer der Karibikinsel Mustique, und dem Landschaftsgärtner Roddy Llewellyn.

Fotos und Tonbandmitschnitte von anderen hochrangigen Royals sowie Klatschberichte über sie wurden dem Kreml ebenfalls aktenkundig gemacht. Gontscharows Agenten versuchten, sowohl Kay Kiernan, die Physiotherapeutin der Queen und ihrer Schwester, als auch den in den Profumo-Skandal verwickelten Osteopathen Stephen Ward, einen langjährigen Freund des Queen-Gemahls Prinz Philip, als Informationsquelle anzuzapfen mit dem Ziel, "Königshausschmutz" zu sammeln.

Im Oktober 1994 unternahm Elizabeth II. ihren ersten und bisher einzigen Staatsbesuch. Um das Ereignis nicht zu gefährden, ließ Staatspräsident Boris Jelzin den damals 73 Jahre alten Gontscharow vor die Fernsehkameras zerren, wo er dementieren musste, dass er je gegen die Windsors spioniert hatte.