Frische Küche statt Fast Food: Koch Jamie Oliver ist auch ein begnadeter Entertainer. Eine neue Biografie erzählt seinen Werdegang.

London. Wo immer er auftritt, sind ihm die Sympathien gewiss: TV-Koch James Trevor Oliver, 37. Freche Sprüche, lockeres Auftreten, insbesondere, wenn es Erfolge zu vermelden gibt. Am Carshalton Boys Sports College zum Beispiel haben sich die Examensnoten deutlich verbessert, seit das Essen auf Anraten des Briten auf Eigenproduktion umgestellt wurde. "Enorm dankbar", sagte Prinz Charles, könnte das ganze Land dem Koch sein, der schon seit Jahren gegen das fettige britische Kantinenessen kämpft.

Ob Schule oder heimischer Herd - Olivers Einfluss auf Ernährung und Lebensstil der Briten ist groß. Mehr als ein Dutzend Kochbücher hat er veröffentlicht, weltweit wurden sie mehr als 25 Millionen Mal verkauft (Deutschland: 3,6 Millionen). Seine Sendungen laufen in 100 Ländern. Sein Vermögen soll bei 191 Millionen Euro liegen. Doch längst ist ihm das nicht mehr genug. Der Mann mit der Wuschelfrisur betreibt Restaurants in aller Welt, gibt Kochzeitschriften heraus und vertreibt eine eigene Kollektion mit Küchenutensilien. Vater von vier Kindern ist er auch noch, glücklich verheiratet mit der Frau, die er schon mit 16 Jahren in der Schule kennengelernt hat: Juliette Oliver, die, ebenso wie die Kinder Daisy, Poppy, Petal und BuddyBear Maurice in fast jedem seinen Bücher abgebildet sind.

Wo wird das noch hinführen? Wird er eines Tages gar Premierminister? Ganz unwahrscheinlich ist das nicht. Das zeigt auch die Biografie "Jamie Oliver" (mvg, 17,99 Euro): Was sich der Mann aus der Grafschaft Essex vorgenommen hat, das setzt er auch durch. Autorisiert ist das Buch von Rose Winterbottom nicht. Die Faktensammlung der britischen Journalistin, die in Deutschland lebt, bietet so einiges, was seine Fans vielleicht noch nicht über den TV-Koch wussten - und sei es auch nur sein schrecklichster Gast: Schauspieler Harvey Keitel, der die Pasta Arrabiata zurückgehen ließ und lieber einen Becher Instantnudeln wollte. Auch von anderen Schwierigkeiten berichtet die Autorin. James Trevor Oliver hatte als Kind Legasthenie und Konzentrationsschwierigkeiten. Doch die Probleme blieben aus, und das lag vor allem an seinen Eltern. Diese betrieben den Pub The Cricketeers und boten regionale Landküche, die weit über Southend-on-Seab bekannt wurde. Mit acht Jahren startete ihr Sohn dort seine Ausbildung. Fürs Gemüseschneiden bekam er Taschengeld - und viel Selbstbewusstsein durch den Umgang mit Gästen.

Küchenarbeit, Abwechslung, auch Stress - für den Jungen sind sie eine Herausforderung, die er meisterte. Bis heute hat Oliver nur ein einziges seiner Bücher selber geschrieben. Alle weiteren zeichnete er per Diktiergerät auf. Eine Schwäche, die zur Stärke wird, zeigte sich auch bei den Dreharbeiten für seine erste TV-Serie "The NakedChef", die Oliver 1999 berühmt machte. Sein Talent zum hyperaktiven Multitasking fiel auf: Der Junge kann unbefangen quatschen und gleichzeitig ein komplettes Menü vorbereiten. Kein kompliziertes Küchenlatein, kein mühsames Abwiegen von Zutaten - Jamie Oliver kocht frei nach Schnauze.

Es ist diese Geschäftstüchtigkeit, aber auch Fleiß und die Nase für den Zeitgeist, die Oliver zu seiner Popularität verhilft. Er ist längst eine öffentliche Figur, ein Ernährungsbotschafter, aber auch ein begnadeter Selbstverkäufer - und ein Entertainer. Seine neue Show "Jamies Food Fight", die seit Dezember donnerstags beim britischen Sender Channel 4 zu sehen ist, bietet pure TV-Unterhaltung. Ein Ende der Expansionspläne ist vorerst nicht abzusehen. Immerhin an einer Front hat er Verzicht angekündigt: Nach der Geburt seines Sohnes 2010 wolle er keinen weiteren Nachwuchs mehr: "Ich habe vier Kinder, und das ist mehr als genug", zitierte ihn der "DailyMirror".