Empörung über Telefonscherz von australischen Radiomoderatoren, auf den die Inderin hereingefallen ist. Am Montag amtliche Leichenschau

London. Der Tod von Jacintha Saldanha, 46, der "königlichen Krankenschwester" am Londoner King Edward VII. Hospital, hat die Welt geschockt. Was ein Moderatorenpaar des australischen Hörfunks als vermeintlich cleveren Ulk ausgeheckt hatte, zeitigte Folgen, wie Klinikchef Lord Glenarthur in seinem Beschwerdebrief an die Eigentümer des Senders schrieb: "Als unmittelbare Konsequenz die Erniedrigung zweier aufopferungsvoller Krankenschwestern (und) als mittelbare die weltweit berichtete, die tragischer ist, als sich in Worte fassen lässt."

Ein Strauß aus roten, weißen und blauen Blumen war am Sonntag am Schwesternheim befestigt, in dem die Inderin gestorben war. Auf einer Karte stand: "Liebe Jacintha, unsere Gedanken sind bei Dir und deiner Familie. Von all Deinen Schwesternkolleginnen, wir segnen Deine Seele. Gott segne Dich." Saldanhas Ehemann Benedict Barboza, 49, Tochter Lisha, 14, und Sohn Junal, 16, sind untröstlich. "Ich vermisse dich", schrieb Lisha auf Facebook. Am Montag nach der Obduktion dürfen sie Jacintha sehen. Der Leichnam soll zur Beisetzung nach Shirva in Südindien, der Heimat der Familie, übergeführt werden.

"Jess", wie die beliebte und geachtete Jacintha im Kollegenkreis hieß, wurde am Freitag um 9.25 Uhr Ortszeit bewusstlos im Schwesternheim der Klinik aufgefunden, nachdem ihr Mann Alarm geschlagen hatte, weil er sie telefonisch nicht erreichen konnte. Eine Krankenwagenbesatzung versuchte vergeblich, sie zu retten. Die Scham über einen Verfahrensfehler, der ihr 76 Stunden zuvor unterlaufen war, hatte Saldanha offenbar am Leben verzweifeln lassen. Die Klinik - laut "Sunday Times" Großbritanniens prestigeträchtigstes Privatkrankenhaus, in dem schon fast alle Royals behandelt worden sind - hat eine strikte Verhaltensmaßregel: Anrufe, die über die Telefonbuchnummer der Klinik hereinkommen, dürfen unter keinen Umständen direkt auf die VIP-Station durchgestellt werden; die Stationsschwester muss auf einem anderen Weg vorgewarnt werden. Jacintha arbeitete seit vier Jahren in der Klinik und muss diese Vorschrift gekannt haben. Sie war jedoch einer Selbstbeurteilung zufolge "ein sehr nervöser Mensch", und anscheinend brachte die Überzeugung, die Queen persönlich am Telefon zu haben, sie so durcheinander, dass sie das Verbot vergaß oder bewusst missachtete. Sie stellte das Gespräch durch, und die bisher ungenannte diensthabende VIP-Stationsschwester erteilte den Moderatoren die Auskunft, der an schwerer Schwangerschaftsübelkeit leidenden Kate gehe es besser; sie habe sich nicht mehr übergeben und schlafe. Als der "Scherz" aufflog und das Tricktelefonat rund um die Welt die Medien beherrschte, machte sich "Jess" bittere Vorwürfe. "Sie nahm es sich schrecklich zu Herzen, dass sie auf die Täuschung hereingefallen ist, und war elend betroffen", erzählt eine Mitarbeiterin. Die Klinikleitung beteuert, Disziplinarmaßnahmen seien ihr nicht angedroht worden: "Das Hospital gab sich große Mühe, sie zu beruhigen und zu unterstützen. Aber wie tief traumatisiert sie war, das hat wohl niemand richtig erkannt."

Ob Jacintha sich ihrem Mann anvertraut hatte, ist nicht bekannt. 2000 zog die Familie nach Bristol, und vor vier Jahren ergatterte Jacintha den Job in London, von wo sie immer nur fürs Wochenende zu Mann und Kindern zurückkehrte. Obwohl alle Indizien auf einen Selbstmord hinweisen, wird in London eine gerichtsamtliche Leichenschau eröffnet, um die genauen Todesumstände zu klären. Möglicherweise werden dazu aus Sydney auch die Moderatorin Mel Greig, 30, und ihr Kollege Michael Christian als Zeugen vorgeladen. Beide, vor allem Greig, gelten inzwischen ebenfalls als selbstmordgefährdet und werden in einem geheim gehaltenen Hotel psychologisch betreut. Sie sehen sich plötzlich von einer Welle der Empörung und des Hasses umspült. "Mel Greig und Michael Christian gehören ins Gefängnis gesperrt", twitterte Musikerin Kelly Osbourne, 28, an ihre 2,5 Millionen Follower.

Etwas, das bisher niemand auszusprechen wagte: Jacintha Saldanha könnte noch am Leben sein, wenn die Klinik nachts - wie tagsüber - eine ausgebildete Telefonistin in der Zentrale beschäftigen würde, statt diese Arbeit auf eine Schwester abzuwälzen.