14 Tote in Behindertenwerkstatt. Titisee-Neustadt steht unter Schock

Freiburg. Vier Grablichter brennen direkt neben dem Aufgang zu dem verrußten dreistöckigen Werksgebäude, das 24 Stunden zuvor für 14 Menschen zur Todesfalle wurde. Auch am Tag nach der Brandkatastrophe in der Behindertenwerkstatt der Caritas in Titisee-Neustadt steht die Stadt im Hochschwarzwald noch unter Schock.

Gewissheit ist seit gestern immerhin: Es war keine vorsätzliche Tat. "Nach jetzigem Kenntnisstand spricht alles für ein Unglück", sagte Oberstaatsanwalt Peter Häberle. "Wir haben keine Hinweise auf Brandstiftung." Ausströmendes Gas und eine anschließende Verpuffung seien die Ursache für die Tragödie gewesen. In einem Raum im Erdgeschoss der Behindertenwerkstatt habe ein mobiler Gasofen gestanden, der mit einer Propangasflasche verbunden war. Aus bislang ungeklärter Ursache sei das Gas unkontrolliert ausgeströmt, habe sich entzündet und sei verpufft. Dennoch wurden Ermittlungen gegen unbekannt wegen fahrlässiger Brandstiftung beziehungsweise fahrlässiger Tötung eingeleitet.

"Das bedeutet aber nicht, dass fahrlässiges Verhalten vorliegt", sagte Häberle. Möglich sei ein technischer Defekt, aber auch menschliches Versagen. Zur Aufklärung des Unglücks wurde eine Sonderkommission mit 60 Beamten eingesetzt.

Bei dem Inferno kamen 13 Behinderte im Alter von 28 bis 68 Jahren und eine 50 Jahre alte Betreuerin ums Leben - insgesamt elf Frauen und drei Männer. Alle Todesopfer befanden sich den Ermittlern zufolge in dem Werkstattraum, in dem der Gasofen stand. Neun Menschen wurden schwer verletzt, fünf weitere leicht.

Lebend aus der Werkstatt herausgekommen sei nur, wer sich zu einem Fenster oder einem Balkon habe retten können, beschreibt Kreisbrandmeister Alexander Widmaier die Momente nach der Verpuffung. Zum Zeitpunkt des Unglücks hielten sich etwa 120 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in der Werkstatt auf. Widmaier: "Es müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben." Das Feuer habe sich rasend schnell ausgebreitet. Viele der Opfer hätten sich "durch das Einatmen der toxischen Gase nicht mehr bewegen können" und seien umgekommen.

Kritik an den Sicherheitsvorschriften wiesen die Behörden zurück. "Der vorbeugende Brandschutz war absolut ordnungsgemäß", sagte Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer. Die letzte Brandschutzübung sei laut dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Titisee-Neustadt, Gotthard Benitz, erst im vergangenen Jahr gewesen. Ob es rechtlich zulässig war, den Ofen in der Behindertenwerkstatt zu betreiben, sei derzeit unklar, sagte Widmaier. Auch wisse man nicht, ob die mobile Gasheizung zum Zeitpunkt des Unglücks in Betrieb gewesen sei. Bei der Suche nach der genauen Ursache wollen Experten nun den Zustand der Propangasflasche rekonstruieren. Es sei nicht klar, ob das Ventil der Flasche offen gewesen sei.

Die Rückkehr zur Normalität in der 12 000-Einwohner-Stadt wird noch lange dauern. Bürgermeister Armin Hinterseh (CDU): "Erst einmal müssen wir diesen Schock verdauen." Am Sonnabend soll es einen Trauergottesdienst im Neustädter Münster geben, kündigte Hinterseh an. Außerdem werden die Flaggen in ganz Baden-Württemberg auf halbmast gesetzt. Zudem wird heute ein Spendenkonto für die Betroffenen des Unglücks eingerichtet.

Das Erzbistum Freiburg bietet im Internet ein virtuelles Trauerportal ein. Trost kam auch aus Rom: Papst Benedikt XVI. versicherte den Angehörigen der Toten seine tief empfundene Anteilnahme, schreibt Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in einem Beileidstelegramm im Namen des Papstes an den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Benedikt XVI. bete, dass Gott den Überlebenden und Trauernden Kraft und Trost schenke.