In der Caritas-Einrichtung war am Montagmittag ein Feuer ausgebrochen. Der Brand zählt zu den verheerendsten der letzten Jahrzehnte.

Titisee-Neustadt. Bei dem verheerenden Brand in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt im Schwarzwald sind 13 Behinderte und eine Betreuerin ums Leben gekommen. Das bestätigte ein Polizeisprecher am Dienstagmorgen in Freiburg. Es seien noch nicht alle Angehörigen der Opfer informiert, deshalb könne er über die Identität der Menschen noch nicht mehr sagen. Im Laufe des Nachmittags wolle die Polizei aber eine Pressekonferenz in Titisee-Neustadt geben. Acht Schwerverletzte kamen in Krankenhäuser. Sie sind aber außer Lebengefahr. Es war einer der verheerendsten Brände der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland.

Das Feuer war am Montag um 13.58 Uhr in einer Werkstatt für Geistig- und Mehrfachbehinderte ausgebrochen. Als die Beamten sechs Minuten später am Unglücksort in der Behindertenwerkstatt Am Bildstöckle in Titisee-Neustadt eintreffen, kommen ihnen bereits völlig verstörte Menschen entgegen, die in Panik auf der Straße umherirren. An den Fenstern des brennenden Gebäudes stehen Männer und Frauen, die verzweifelt um Hilfe rufen. Es läuft der größte Rettungseinsatz an, den die Region im Schwarzwald je erlebt hat.

Zeugen berichten von einem ohrenbetäubenden Knall, der die Montageabteilung der Caritas-Einrichtung um die Mittagszeit erschüttert. Sekunden später schlagen Flammen aus dem Gebäude, eine schwarze Rauchsäule steht über der Halle, in der sich zu diesem Zeitpunkt rund 120 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung und ihre Betreuer aufhalten. Den 300 Helfern - Feuerwehrleute, Notärzte, Sanitäter und Polizisten - gelingt es unter Einsatz von schwerem Atemschutzgerät, 50 Behinderte und Angestellte aus dem brennenden Gebäude zu retten - doch für mehr als ein Dutzend kommt jede Hilfe zu spät: Eine Stunde nach der Explosion werden leblose Menschen auf Tragen mit schweren Brandverletzungen aus dem Gebäude gebracht. Die Behinderten und ihre Betreuer kamen vermutlich durch Rauchvergiftungen ums Leben.

Zwei Stunden nach dem Alarm hat die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Aus dem Gebäude in einem Gewerbegebiet dringt immer noch Rauch. Psychologen betreuen Angehörige der Opfer und Einsatzkräfte. Spezialisten beginnen mit der Suche nach der Brandursache. In der Werkstatt, in der Holz und Metall verarbeitet wird, lagern auch Chemikalien. Ein Polizeisprecher: "Feuer und Rauch haben im Inneren des Gebäudes große Schäden angerichtet. Die Spurensuche ist daher schwierig. " Die Feuerwehr bleibe in der Nacht am Brandort, um ein erneutes Aufflammen des Feuers zu verhindern.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) flog sofort im Hubschrauber zum Unglücksort, um sich dort mit Innenminister Reinhold Gall (SPD) über die Lage zu informieren. Er dankte den Rettungs- und Einsatzkräften für ihre Arbeit. Kretschmann zeigte sich erschüttert: "In Gedanken bin ich bei den Opfern, und mein tiefes Mitgefühl gilt ihren Angehörigen." Auch Bundespräsident Joachim Gauck bekundete sein Beileid. "Ich denke an die armen Menschen, die Opfer zu beklagen haben", sagte er in Duisburg zum Abschluss seines Antrittsbesuchs in Nordrhein-Westfalen.

In einem Telefongespräch informierte Kretschmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Sie ist tief erschüttert, sprachlos und fassungslos angesichts dieser schrecklichen Ereignisse", sagte Kretschmann. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ließ am Abend in Brüssel mitteilen: "Die Neuigkeiten von dem Feuer in der Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt erfüllen mich mit Kummer und Trauer."

Mit bundesweit rund 25 000 Einrichtungen und Diensten sowie etwa 560 000 hauptamtlichen Mitarbeitern ist die Caritas der größte Wohlfahrtsverband Deutschlands. Die Organisation mit Sitz in Freiburg im Breisgau engagiert sich seit 115 Jahren insbesondere in der Krankenpflege sowie bei der Betreuung von Senioren, Kleinkindern und Behinderten. In den Werkstätten wie in Titisee-Neustadt im Hochschwarzwald sollen Menschen mit Behinderung in ein normales Arbeitsleben und damit auch verstärkt in die Gesellschaft integriert werden.

Nach der Katastrophe ist eine Diskussion um den Brandschutz in Behinderteneinrichtungen entbrannt. Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz-Stiftung hält diese für unzureichend. Stiftungsvorstand Eugen Brysch fordert, soziale Einrichtungen mit selbsttätigen Sprinkleranlagen auszurüsten. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) fordert ebenfalls spezielle Sicherheitskonzepte. DFV-Vizepräsident Hartmut Ziebs: "Menschen mit Behinderungen haben verlängerte Reaktionszeiten und können in Gefahrsituationen unberechenbar handeln."

Bei einem Abendgottesdienst im Freiburger Münster sagte Erzbischof Robert Zollitsch: "Wir beten für die Opfer, ihre Angehörigen und Freunde sowie für alle Rettungskräfte. Auch den Menschen, die bei der Feuerkatastrophe verletzt wurden, gelten unsere mitfühlenden Gedanken."