Ein Pfleger soll eine minderjährige Patientin missbraucht haben. Das Berliner Uniklinikum hat eine Telefon-Hotline eingerichtet.

Berlin. Nach Missbrauchsvorwürfen gegen einen Charité-Krankenpfleger hat das Berliner Uniklinikum am Donnerstag eine Telefon-Hotline eingerichtet. Besorgte Eltern und Angehörige sowie Mitarbeiter könnten mit psychologischen Fachkräften sprechen, teilte die Charité mit. „Wir sind tief erschüttert und nehmen die Sorgen der Eltern und Angehörigen sehr ernst“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Charité, Karl Max Einhäupl laut Mitteilung. Inzwischen kündigte die Charité kurzfristig für den Nachmittag (15.30) eine weitere Pressekonferenz an.

Berlins Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigte sich schockiert. „Jetzt müssen unverzüglich alle Fakten auf den Tisch und ich will wissen, wer wann etwas gewusst hat und welche Entscheidung getroffen hat“, ließ Scheeres mitteilen.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet. „Wir ermitteln mit Hochdruck“, sagte der Sprecher der Anklagebehörde, Martin Steltner, am Donnerstag. Der Fall sei nicht einfach, da der Übergriff schon vor mehr als einer Woche passiert sei. „Beweismittel wie DNA-Spuren gibt es leider nicht mehr. Darum müssen wir vor allem auf Zeugenaussagen zurückgreifen – etwa die der mutmaßlich Geschädigten.“ Der 58 Jahre alte Tatverdächtige sei bislang wegen ähnlicher Fälle nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner kritisierte die Informationspolitik der Klinik scharf. „Gerade nach dem letzten Kommunikationsdesaster an der Charité ist es unbegreiflich und inakzeptabel, dass die Charité diese Missbrauchsvorfälle jahrelang verschwieg“, sagte Wegner am Donnerstag.

Der sexuelle Missbrauch einer 16-jährigen Patientin durch einen Pfleger sei erschreckend. „Dieser Vorfall ist aber offenbar nur die Spitze des Eisbergs“, sagte der CDU-Politiker. Angesichts des neuerlichen Skandals drohe der „exzellente Ruf“ des Universitätsklinikums nachhaltig Schaden zu nehmen. Um weiteren Vertrauensverlust zu vermeiden, dürfe es keine weiteren Verzögerungen bei der Aufklärung geben, forderte er. Die Verantwortlichen, darunter Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl und die Aufsichtsratsvorsitzende, Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD), müssten die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Der Vorstandschef des Krankenhauses, Karl Max Einhäupl, sagte am Mittwochabend, dass der Tatverdächtige in der Vergangenheit bereits drei Mal auffällig geworden sei. Zugleich räumte er erneut Fehler in der Informationspolitik des Krankenhauses ein und deutete personelle Konsequenzen an.

Einhäupl will die Informationspolitik der Charité nun „vom Kopf auf die Füße“ stellen. Er selbst wurde nach eigenen Angaben erst am Dienstag über den Vorfall unterrichtet, der sich bereits eine Woche zuvor ereignet haben soll. Das Krankenhaus ist zuletzt wegen der Informationspolitik zu Keim-Infektionen von Kindern in die Kritik geraten. Der Klinik-Chef kündigte an, eine Hotline für beunruhigte Eltern zu schalten. Die Prävention wurde nach Angaben der Pflegeleitung schon in der Vergangenheit verbessert. Danach sind alle Mitarbeiter aufgefordert, ungewöhnliche Vorfälle zu melden. Dazu gibt es auch ein anonymes Telefon.

Appell für bessere Vorsorge an Krankenhäusern

Die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott, appellierte an Krankenhäuser, besser vorzusorgen. Es sei möglichst zu vermeiden, dass ein Patient mit einem Klinikmitarbeiter in einem Raum alleine sei. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) forderte, die Gefahr von sexuellem Missbrauch in der Gesellschaft wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen.

Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günter Jonitz, nahm die Klinikführung in Schutz. Sie bemühe sich nach Kräften um ein besseres Risikomanagement, sagte Jonitz am Donnerstag im Inforadio des RBB. Aber es handele sich um die größte Universitätsklinik in Europa, was die Aufgabe erschwere.

Jetzt soll geklärt werden, ob es weitere Betroffene gibt, wie Einhäupl weiter sagte. Im Zuge der bisherigen internen Recherchen kam demnach heraus, dass der Pfleger, der bereits seit 40 Jahren an der Charité arbeitet, bereits früher aufgefallen sein soll. Er war zunächst in der Kinderonkologie tätig, seit 2008 in der Rettungsstelle. Nach derzeitigen Erkenntnissen erinnerten sich Mitarbeiter an drei Übergriffe, die aber bisher nicht näher bezeichnet werden könnten. Sie sollen länger als fünf Jahre zurückliegen. Akten gebe es dazu aber nicht.

Keine Zweifel an Aussage des Mädchens

Die 16-jährige wurde vergangene Woche in der Nacht zum Mittwoch in der Rettungsstelle der Kinderklinik am Campus Virchow wegen einer „akuten Erkrankung“ aufgenommen, erklärte Einhäupl. Nach Angaben Einhäupls war das Mädchen bei der Behandlung in der Klinik bei Bewusstsein. Es hatte zwar Medikamente bekommen, die zur Beruhigung beitragen sollten. „Aber wir haben keinen Zweifel, dass es die Wahrheit gesagt hat“, sagte er. Die Jugendliche sei in der Notaufnahme „knapp drei Minuten“ mit dem Pfleger allein gewesen.

Am Tage hätten die Eltern dann gegen einen Krankenpfleger den Vorwurf erhoben, dass der Angestellte an der 16-Jährigen sexuelle Handlungen vorgenommen habe.

Die Charité in Zahlen

Die Berliner Charité ist die medizinische Fakultät der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität. Mit knapp 13.000 Mitarbeitern an vier Standorten gehört sie zu den größten Arbeitgebern der Hauptstadt. Einige Zahlen:

GEGRÜNDET: 1710

MITARBEITER: 12 908 (Juni 2012)

STUDIERENDE: 7025 (2011)

JAHRESUMSATZ: 1,3 Milliarden Euro (2011)

BETTEN: 3095 (August 2012)

NUTZFLÄCHE: 547 000 Quadratmeter

OPERATIONEN: 7000 pro Monat

GEBURTEN: 4700 pro Jahr

TRANSPLANTATIONEN: 700 pro Jahr