Die Szene derer, die daran glauben, steckt in der Sinnkrise - auch wegen des Internets

Berlin. Man hat über sie geschmunzelt, viele von ihnen haben über sich selbst geschmunzelt, auch wenn andere die Dinge stets sehr ernst betrieben. Jetzt ist die ganze Bewegung in der größten Krise ihrer Geschichte: die Ufologen-Szene. An diesem Sonnabend trifft sie sich in der Universität im englischen Worcester zum Kongress.

Schlechte Zeiten für die Freunde der fliegenden Untertassen: Was der Sprecher der bedeutendsten Ufologen-Vereinigung, dem Verband zur wissenschaftlichen Erforschung anormaler Phänomene (Assap"), vor dem Treffen zu sagen hat, klingt wenig vielversprechend: "In zehn Jahren könnte das Ganze eine tote Angelegenheit sein", meint Dave Wood. "Das Fehlen jeglicher zwingender Beweise einschlägiger Vorkommnisse jenseits der Ebene von Anekdoten lässt die Vermutung zu, dass es da draußen nichts gibt", räumte er vor der britischen Presse ein.

Ufos, unbekannte Flugobjekte, hatten lange Jahre eine wachsende Schar Interessierter in ihren Bann gezogen, hatten die Ufologie begründet, eine Art Grenzwissenschaft, von privaten Enthusiasten betrieben und gefördert. Von überall und nirgends her sammelten und interpretierten sie Nachrichten von Himmelserscheinungen, allzeit bereit für den Empfang außerirdischer Lebewesen, die voraussichtlich in fliegenden Untertassen anreisen würden, oder auch irdischer feindlicher Mächte in geheimem, neu entwickeltem Fluggerät. Je nach den Umständen sollte es ein wehrhafter oder auch freundlicher Empfang werden.

Seit Menschengedenken zogen Berichte von unerklärlichen Himmelserscheinungen in den Bann. Doch seit dem Zweiten Weltkrieg und den anschließenden ersten Jahren des Kalten Krieges häuften sich die einschlägigen Berichte verdächtig stark, auch von Militärpiloten der Alliierten. Es war die Zeit, da die Entwicklung der Luftfahrt in vollem Gange war, da die Raumfahrt durchdacht wurde. Raketen, Düsenantrieb, Hubschrauber und anderes mehr ließ die Menschen glauben: Nichts ist unmöglich am Himmel. Die Schallmauer wurde durchbrochen, warum sollte man nicht auch Lichtgeschwindigkeit erreichen, um interstellare Reisen möglich zu machen. Auch die Unerklärlichkeit von Phänomenen fand eine Erklärung: das geheime Spiel der Mächte im Kalten Krieg.

Die Verteidigungsministerien der USA ("Project Grudge") und Großbritanniens ("Flying Saucer Working Party") richteten Kommissionen und Arbeitsgruppen ein, auch die CIA schuf Planstellen für die Ufo-Erforschung. Erzählungen gab es genug, die amtlichen Ermittler hatten es - zum Teil bis ins 21. Jahrhundert hinein - zu tun mit einer Gemengelage aus Luftspiegelungen, Träumereien, Wichtigtuereien bis hin zu Lügenabsprachen ganzer Besatzungen, aber auch tatsächlichen geheimen Neuentwicklungen am Himmel und eben auch bis heute Unerklärlichem.

Einige Fälle wurden weltweit bekannt, wurden zu sinnstiftenden Schlüsselereignissen der Ufologie. Am hartnäckigsten hält sich die Legende über den "Roswell"-Zwischenfall. Nahe der Stadt mit diesem Namen in New Mexico sollten 1947 ein Ufo abgestürzt und die Insassen umgehend von Angehörigen einer nahen Luftwaffenbasis abgeholt worden sei. Immer wieder war in Zeitungen davon zu lesen, dass sich Militärs dazu geäußert hätten ("was immer es war, es kam nicht von der Erde"). Im Dezember 1980, so verlautet es in der Ufo-Szene, hätten Militärs im südenglischen Rendlesham Forest mehrere hell leuchtende Ufos gesehen, einige von ihnen sogar angefasst, bevor das Geschwader wieder abgehoben habe - mit unbekanntem Ziel. Angeblich wurden später an derselben Stelle mysteriöse Abdrücke und erhöhe Radioaktivität festgestellt.

Einige Zeitungen berichteten 1990 von mehreren Ufos über Belgien, die angeblich von Tausenden Personen gesehen wurden. F16-Kampfjets der Nato seien aufgestiegen. Piloten wurden zitiert, die gesehen haben sollen, dass die Objekte zeitweilig stillgestanden und anschließend blitzartig auf 1800 km/h beschleunigt hätten. Bis heute rätseln viele, um was es sich gehandelt haben könnte. Am Himmel gestanden haben die Ufos nach einigen Berichten in der Nacht vom 30. zum 31. März, was letztlich auf die Vorbereitung auf einen Aprilscherz hindeuten könnte. Im Jahr 2011 outete sich auch ein Fotograf, der damals eine Fotomontage mit den Ufos in Umlauf gebracht haben wollte.

Viele ähnliche Fälle zirkulieren in der Szene. Wer nachrecherchiert, stößt meist auf die gleiche Agenda. Zunächst werden vertrauenswürdige Zeugen angeführt, Militärs, Piloten, Beamte, Menschenmassen, auch Berichte seriöser Blätter liegen bisweilen vor. Geht man ihnen jedoch nach, landet man nach einigen Etappen fast immer in Mitteilungsblättern der Ufologen-Szene - oder in offiziellen Dementis -, was für die ganz Hartnäckigen nur alles bestätigt. Geheimhaltung ist schließlich oberstes Gebot.

Lediglich ein dünner Bodensatz an bis heute unerklärlichen Himmelserscheinungen bleibt übrig, den allerdings selbst die Ufologen nicht mehr als ausreichend für ihre Passion ansehen. Berichte Einzelner, die behaupten, von einer Ufo-Besatzung entführt, hypnotisiert und schließlich wieder abgesetzt worden zu sein, häufen sich zwar in den letzten Jahren, aber auch dies ist kein wirklicher Ersatz. Assap-Sprecher Woods beklagt denn auch, dass sich die langsam auch in die Jahre kommende Ufologen-Gemeinde immer stärker aufrichten müsse an lange zurückliegenden Fällen wie Roswell oder Rendlesham. Die Anzahl neuer Berichte über Unerklärliches sei zwischen 1988 und heute um 96 Prozent gesunken.

Letztlich dürfte es die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnik sein, die in der Nachkriegszeit die Ufo-Fantasien beflügelte, die ihnen heute aber den Garaus macht. Internet, Twitter und Facebook hat die Menschen rund um die Welt zu Nachbarn gemacht, bei denen jeder zu jeder Zeit nachfragen kann, was denn dort los sei. Erfundene Ufo-Berichte von fernen Orten ziehen nicht mehr, Richtigstellungen, Dementis, Erklärungen gehen sekundenschnell um den Globus. Es ist schwerer geworden, den Menschen etwas vorzumachen.

Das britische Verteidigungsministerium gab im Frühjahr bekannt, dass es kein Geld mehr für die Erforschung von Ufos bereitstellen werde, es gebe "keine Hinweise", dass sie eine Gefahr für Großbritannien darstellen könnten. Manche wollen sich mit all dem nicht abfinden. Nick Pope, der von 1991 bis 1994 im Ministerium für Ufos zuständig war, fordert: "Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Ich sage immer: Wer an Ufos glaubt, muss ja nur ein einziges Mal recht haben."

Dabei steigen die Chancen, eigentlich: Erst kürzlich fanden Astronomen in dem uns am nächsten liegenden Sternensystem Alpha-Centauri einen erdähnlichen Planeten, 4,3 Lichtjahre entfernt, vorhandenes Leben nicht ausgeschlossen. Und immerhin: Ein Ufo, das mit unserer modernsten Antriebstechnik ausgestattet ist, könnte uns von dort in vielleicht 75 000 Jahren erreichen.