Heute wird der “Erzherzog Joseph“ versteigert. Er soll 15 Millionen Dollar bringen. Hat einst sogar Sisi ihn getragen?

Berlin. Er ist strahlend und makellos und von einer Größe, die dem Betrachter den Atem raubt: Der Erzherzog-Joseph-Diamant gehört zu den berühmtesten Edelsteinen der Welt, und wenn er heute bei Christie's in Genf unter den Hammer kommt, könnte er einen Preis erzielen, der ihn auch zu den teuersten macht. François Curiel, Chef der Schmuckabteilung des Auktionshauses, erwartet mindestens 15 Millionen Dollar für den Stein.

Ein Rekordpreis wäre das nicht - Sotheby's hat erst vor zwei Jahren in Genf einen pinkfarbenen Diamanten für 46 Millionen Dollar versteigert. Dennoch ist der Erzherzog-Joseph-Diamant einzigartig. Er verkörpert die perfekte Mischung aus Größe, Farbe und Reinheit. 76,02 Karat ist er schwer - und er wog früher noch mehr. Der amerikanische Juwelier Alfred J. Molina, der den Stein 1999 von einem privaten anonymen Eigentümer gekauft hatte, ließ den 78,54-Karäter umschleifen, um kleine Einschlüsse zu beseitigen und ihn in eine lupenreine Kostbarkeit zu verwandeln, deren Farbe das Gemological Institute of America (GIA) als die bestmögliche Stufe D beurteilte.

Wen wundert es da, dass die Sängerin Céline Dion 2002 keinen geringeren Edelstein als diesen wählte, um ihrem Comeback einen besonderen Glanz zu verleihen. Molina hatte ihr den Stein für ihren ersten Fernsehauftritt nach Jahren geliehen. Er funkelte als abnehmbarer Anhänger in ihrem ohnehin hochkarätigen Collier. Schön und rein wie ihre Stimme, schwärmte Molina, der auch Schauspielerin Laura Harring den Diamanten 2002 für einen Auftritt bei der Oscar-Verleihung auslieh.

Laura Harring, die für ihre Rolle in David Lynchs "Mulholland Drive - Straße der Finsternis" bekannt ist und ansonsten als erste lateinamerikanische "Miss USA" in die Geschichte einging, trug nicht nur den berühmten Diamanten, sie trägt auch einen berühmten Namen. Seit ihrer Hochzeit mit Carl-Eduard von Bismarck 1987, von dem sie zwei Jahre später geschieden wurde, ist sie eine Gräfin von Bismarck-Schönhausen. Ihr Hals bot also einen durchaus würdigen Platz für einen Stein, der seinen Namen von dem Angehörigen eines anderen großen europäischen Adelsgeschlechts erhielt.

Seit wann der Diamant zu den Schätzen der Habsburger gehörte, ist nicht bekannt. Als gesichert gilt, dass Erzherzog Joseph August von Österreich (1872-1962) den Stein sein eigen nennen durfte. Vielleicht war der Diamant, dem der Erzherzog seinen Namen gab, schon lange ein Familienstück. Der Blick auf den Stammbaum legt die Vermutung nahe. Joseph Augusts Vater war Erzherzog Joseph Karl Ludwig von Österreich (1833-1905), seine Mutter Prinzessin Clotilde von Sachsen-Coburg und Gotha (1846-1927), sein Urgroßvater Frankreichs König Louis-Philippe I. (1773-1850).

Gut möglich, dass in einer dieser Familien der Diamant ohne viel Aufsehen von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Oder gehörte der Stein etwa Kaiserin Sisi (1837-1998)? Schließlich war Auguste, die Gattin des Erzherzogs, eine Enkelin der Monarchin, die nicht nur für ihre Schönheit und Sensibilität berühmt war, sondern auch eine weithin bekannte Schwäche für teure Steine hatte. In der Schmucksammlung der Gemahlin von Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) fanden sich nicht zuletzt 27 mit Juwelen besetzte Sterne, die sie gern in ihr Haar flechten ließ. Ein Stein vom Format des Erzherzog-Joseph-Diamanten hätte sich in ihrer Kollektion sicher gut gemacht.

Joseph August vererbte ihn schon in jungen Jahren an seinen Sohn Joseph Franz. Der hinterlegte ihn im Juni 1933 in einer ungarischen Bank. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll der Stein in den Besitz eines europäischen Bankers übergegangen sein. Jahrzehntelang blieb er in der Versenkung, bis er am 22. Juni 1961 plötzlich bei einer Auktion in London auftauchte. Doch der Stein fand keinen Käufer - und verschwand wieder für Jahrzehnte aus der Öffentlichkeit. Als er 1993 von einem anonymen Eigentümer bei Christie's angeboten wurde, sorgte er für das sensationelle Ergebnis von 6,5 Millionen Dollar. Aber auch damals blieb der Käufer namenlos, von dem schließlich Alfred J. Molina, der Schmuckhändler aus Phoenix, den Stein erwarb, um ihn wieder an einen der Öffentlichkeit namentlich Unbekannten zu verkaufen.

Es liegt so vieles im Dunkeln. Aber das macht den Reiz eines Diamanten aus, der nicht nur von seiner Schönheit lebt und von der Tatsache, dass er sich in Jahrmillionen aus einem Stück Kohle in einen Edelstein verwandelt hat, der so klar ist wie Wasser und so hart wie sonst nichts Natürliches auf der Welt. Je geheimnisvoller die Herkunft, desto faszinierender. Und bisweilen schreibt man Diamanten magische Fähigkeiten zu. Er soll Kraft verleihen, vor Feinden schützen. Manchmal soll er sogar verflucht sein. So wie der blaue Hope, der angeblich aus der Statue der indischen Gottheit Vishnu gestohlen wurde. Marie-Antoinette, so die Anhänger des Diamanten-Aberglaubens, soll dem Fluch zum Opfer gefallen sein, als die Guillotine 1793 ihren Hals traf, den einst der Hope-Diamant geschmückt hatte.

Wie der Hope wurde im 16. oder 17. Jahrhundert vermutlich auch der Erzherzog-Joseph-Diamant in den indische Minen von Golkonda entdeckt, ebenso der Dresdner grüne Diamant, der Regent und der Koh-i-Noor aus den britischen Kronjuwelen. Sagenumwoben sind die Steine, die dort aus der Erde geholt wurden. Ob der Erzherzog-Joseph-Diamant seinem neuen Besitzer Glück bringt? Um einiges kleiner wird er auf jeden Fall sein Bankkonto machen.