Obwohl Irmtraud Eichler kaum noch etwas aß, wuchs ihr Bauch rasant. Der Zweifel an der Hausarzt-Diagnose rettete der 60-Jährigen das Leben.

Dresden. Riesentumor statt Fettleibigkeit: Einen 28 Kilogramm schweren Tumor hat ein Dresdner Ärzteteam Anfang Oktober aus dem Bauch einer Rentnerin entfernt. Das ungewöhnlich große Krebsgeschwür war wegen des Übergewichts der Diabetikerin erst nach Monaten entdeckt worden. „Die Geschwulst maß 60 mal 50 Zentimeter und füllte den ganzen Bauch vom kleinen Becken bis zum Rippenbogen aus“, sagte die Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums, Pauline Wimberger, am Freitag. Der sogenannte Borderline-Tumor hatte sich an einem Eierstock entwickelt. Er sei nicht gutartig, aber auch nicht hochaggressiv bösartig gewesen, erklärte die Gynäkologin.

Ihre Patientin, die Rentnerin Irmtraud Eichler, ist seit Jahren Diabetikerin und übergewichtig. „Vor acht Monaten nahm ich plötzlich in kurzer Zeit mächtig zu“, sagte die 60-Jährige. Ihr Arzt habe das auf die Zuckerkrankheit und den damit verbundenen Bewegungsmangel zurückgeführt und ihr eine Kur wegen Fettleibigkeit (Adipositas) verordnet. „Ich war nie schlank, aber ich wusste, dass der immer dickere Leib nicht vom Essen kommen kann.“ Sie habe damals weniger zu sich genommen als ein Kind.

Als sie kaum noch laufen und stehen konnte, drängte ihre Tochter auf eine Untersuchung im Krankenhaus. Mit Computertomographie und Ultraschall entdeckten Fachärzte dann den ungewöhnlichen Riesentumor und überwiesen Eichler in das Dresdner Uniklinikum. „Sie konnte nur noch seitlich liegen“, erinnerte sich Stationsschwester Cornelia Meißner an den Notfall. Zu viert mussten sie die 1,63 Meter kleine und 138 Kilo schwere Frau betten.

Zur Diabetes kam eine vergrößerte Schilddrüse, die die Luftröhre auf sieben Millimeter und damit um mehr als die Hälfte verengt hatte und Atemnot verursachte. In einer siebenstündigen Operation entfernte das vierköpfige Ärzteteam Tumor, Gebärmutter, Eierstöcke und -leiter und die Schilddrüse. Die mit Flüssigkeit gefüllte Geschwulst musste im Ganzen aus dem Körper, um eine Verteilung der Krebszellen zu vermeiden. Der ungewöhnlich große Tumor füllte eine Schubkarre.

„So eine Größe zu entwickeln, dauert es Jahre“, sagte Wimberger. Dass der Riesentumor nicht früher bemerkt wurde, hänge auch mit der eingeschränkten Bildgebung bei übergewichtigen Menschen zusammen. Irmtraud Eichler ist gut drei Wochen nach dem Eingriff fast 40 Kilo leichter und kann wieder laufen – mit Gehhilfe.

„Man darf sich nicht aufgeben“, sagte Eichler, die nach den auch psychisch belastenden Zeiten „super glücklich“ ist. Ohne die Hartnäckigkeit ihrer Tochter hätte der Tumor sie über kurz oder lang getötet. „Ich kann den Ärzten nicht genug danken“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Ich bin ein neuer Mensch.“