Die brutalen Angreifer, die einen 20-jährigen Berliner totprügelten, sind weiter flüchtig. Gewerkschaft der Polizei fordert höhere Strafen.

Berlin. Nach dem tödlichen Gewaltexzess gegen einen 20-Jährigen am Alexanderplatz sind die Täter noch nicht ermittelt. Bisher seien 19 Hinweise eingegangen, sagte eine Polizeisprecherin. „Wir suchen weiter dringend nach Zeugen“, betonte sie. Die Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag eine Belohnung von bis zu 15.000 Euro für Hinweise auf die Täter ausgesetzt. Die Polizei fahndet nach einer Gruppe von sechs bis sieben Männern.

Sie sollen den 20-Jährigen in der Nacht zu Sonntag bewusstlos geprügelt und gegen den Kopf getreten haben. Der junge Mann war am Montag im Krankenhaus gestorben, als Todesursache werden Blutungen im Gehirn vermutet.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte in diesem Zusammenhang höhere Strafen für Gewalttäter. „Vom Grundsatz her müsste das maximale Strafmaß öfter ausgenutzt werden“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Michael Purper. Davon könnte seiner Ansicht nach eine „abschreckende Wirkung“ ausgehen.

Kein Anstieg von Straftaten in Kriminalitätsstatistik

Darüber hinaus sprach er sich für mehr Polizeipräsenz an Brennpunkten wie dem Alexanderplatz aus. Der Platz sei schon seit einigen Jahren nicht mehr sicher, fügte Purper hinzu. Dagegen könne die Polizei nur mit zusätzlichen Mitarbeitern vorgehen. „Wir haben derzeit jedoch kein Personal, um präventiv tätig werden zu können“, beklagte der Vorsitzende. Unter der rot-roten Koalition seien 4000 Stellen abgebaut worden.

„Wenn die Behörde weiter einsparen muss, besteht die Gefahr, dass Polizeibeamte noch mehr Verwaltungsaufgaben übernehmen müssen“, sagte Purper. Seiner Einschätzung nach steigt die Gewaltbereitschaft in allen Teilen der Gesellschaft erheblich an. Purper sprach von einer „ausgeprägten Ellenbogengesellschaft“.

Der gemeinhin gefühlte Anstieg von Straftaten lässt sich jedoch in der Kriminalitätsstatistik der Polizei nicht nachlesen. Bei Körperverletzungen verzeichnete Berlin 2011 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 3,4 Prozent. Rund 41.700 Vorfälle wurden registriert. Insgesamt wurden 77.916 Menschen Opfer von Straftaten. Rückläufig ist zudem die Zahl der Gewalt, die von Jugendgruppen ausgeht. 861 Körperverletzungen registrierte die Polizei 2011 und damit 14,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Von Jugendgruppengewalt spricht die Polizei, wenn mindestens zwei Täter im Alter von 8 bis 21 Jahren beteiligt waren.

Nur jedes zehnte Opfer wendet sich an Hilfsorganisationen

Nach Angaben des Opferschutzverbands Weißer Ring wenden sich im Schnitt zehn Prozent aller Opfer von Straftaten an Hilfsorganisationen. „Viele haben Angst, andere wollen allein die Geschehnisse verarbeiten“, sagte die Sprecherin vom Landesbüro Berlin, Gisela Raimund. Zurzeit verzeichne der Weiße Ring einen Zulauf von Hilfesuchenden. Raimund führt die Entwicklung darauf zurück, dass die Hauptstadt mit dem Rechtsanwalt Roland Weber nun einen Beauftragten für Opfer von Straftaten hat. Damit habe das Thema eine breite Aufmerksamkeit erhalten.

Allerdings gebe es beim Opferschutz noch offene Baustellen. Als Beispiel nannte Raimund, dass alle Täter einen Anwalt in Anspruch nehmen könnten, Opfer aber nur ab einem bestimmten Delikt. Hilfreich ist nach ihren Worten, dass Berlin nun über eine Trauma-Ambulanz verfügt. Betroffene können dort schnell Hilfe in Anspruch nehmen. Bei den niedergelassenen Traumatherapeuten gebe es oft lange Wartezeiten. „Wenn Opfer lange auf Hilfe warten müssen“, erklärte die Sprecherin, „besteht die Gefahr, dass sich Traumata verfestigen“.

Zeugen des Vorfalls am Alexanderplatz können sich unter der Telefonnummer 030/4664 911101 an die Mordkommission wenden.