Soosan Firooz ist Musikerin und Schauspielerin. Mutig kämpft die junge Frau gegen die Gewalt in ihrem Heimatland Afghanistan an.

Kabul. In Afghanistan haben Frauen die Köpfe zu senken und zu schweigen. Soosan Firooz ist 23 und will sich den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht anpassen. Sie erhebt ihre Stimme als Rapperin auf der Bühne. Sie drückt sich über ihre Musik aus, singt über die Unterdrückung von Frauen, ihre Hoffnungen auf ein friedliches Afghanistan und ihre bitteren Erfahrungen als Flüchtlingskind im Iran. Einige ihrer Verwandten haben sie deshalb bereits verstoßen.

„Wir wollen ein Ende der Grausamkeiten gegen Frauen und Kinder“, rappt Firooz. Sie wendet sich mit einer Botschaft an die Afghanen: Bleibt in eurem Heimatland. Wer gehe, werde nur als Tellerwäscher enden. „Sie werden ihr Heimatland vermissen“, rappt sie. „Sie werden den Staub ihres Heimatlandes küssen wollen.“ Afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan würden entweder Drogensüchtige oder Terroristen.

Bisher ist ihr Song „Our Neighbors“ nur auf YouTube zu hören, begleitet von einem Video, das Firooz im klassischen Hip-Hop-Style zeigt: mit Jeans, Ketten und Armbändern. Auf einigen Bildern trägt sie ein mit Totenköpfen bedrucktes Kopftuch, aber ihr langes Haar fällt locker auf die Schultern – eine Seltenheit unter afghanischen Frauen.

Soosan ist auch Schauspielerin. Sie hatte mehrere kleine Rollen in einer Seifenopfer im Lokalfernsehen. Anfang Oktober trat sie bei einem dreitägigen Musikfestival in Kabul auf. Weil Kontakte zwischen Männern und Frauen in Afghanistan streng geregelt sind, spielten die Musiker am ersten Tag für alle weiblichen Zuschauer und an den folgenden zwei Tagen für die männlichen.

Einen größeren Bekanntheitsgrad hat Firooz noch nicht erreicht. Aber sie durchbricht die traditionellen Regeln für Frauen in einer erzkonservativen Gesellschaft. Viele Frauen in Afghanistan gehen nicht ohne die Burka aus dem Haus, den Ganzkörperschleier, der sie von Kopf bis Fuß verhüllt. Besonders in ländlichen Gebieten kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Frauen. Sie werden wegen angeblicher Affären mit Männern öffentlich hingerichtet. Andere setzen sich selbst in Brand, um der Gewalt durch den Ehemann zu entfliehen.

Ihr Onkel hat die Kontakte zur Familie eingestellt, weil Firooz im Fernsehen zu sehen ist und öffentlich singt. Ihr Vater Abdul Ghafar Firooz steht dagegen hinter ihr. Er hat seine Stelle beim staatlichen Stromversorger gekündigt, um seine Tochter zu begleiten und zu schützen, sobald sie das Haus verlässt. „Ich bin ihr Sekretär, gehe ans Telefon“, erzählt er. „Ich bin ihr Leibwächter und schütze sie. Wenn sie rausgeht, muss ich bei ihr sein.“ Alle Eltern müssten ihre Töchter und Söhne unterstützen, damit sie vorankämen. „Die familiäre Unterstützung gibt mir die Kraft, gegen die Probleme in unserer Gesellschaft zu kämpfen“, sagt die junge Sängerin.

Rap und Hip-Hop stehen in Afghanistan noch am Anfang, werden bei den jungen Leuten aber immer beliebter. Einige männliche Rapper haben es schon zu einiger Bekanntheit gebracht, darunter der 28-jährige Bedschan Safarmal, genannt D.J. Besho. Seine CDs können auf dem Basar in Kabul gekauft werden.

Firooz erster und bisher einziger Song wurde von dem bekannten afghanischen Sänger und Songwriter Fared Rastagar arrangiert, der erst kürzlich aus Deutschland nach Afghanistan zurückkehrte und in Kabul ein Aufnahmestudio hat. „Ich bewundere Sosan für ihren Mut und schätze die Unterstützung ihrer Familie“, sagt er. „Rap wird hier gebraucht. Wir müssen alle Teile des Lebens verändern, auch die Musik.“

Für die junge Frau ist es noch ein langer Weg zum Star. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Armenviertel im Norden von Kabul. Ihre Musik schreibt sie auf einem alten Computer, der nicht immer funktioniert. Ein Keyboard bekam sie als Geschenk von einem Fan. Geld für eine CD oder ein aufwendiges Video hat sie nicht.

Aber mithilfe der Musik kann sie ihren Schmerz ausdrücken. „Der Krieg hat uns gezwungen, unser Land zu verlassen“, rappt sie. „Wir sind voller Hoffnung für die Zukunft unseres Landes. Und wir möchten, dass unsere Nachbarländer uns in Ruhe lassen.“