Eine US-amerikanische Wissenschaftlerin hält dies nach dem Fund eines Papyrus-Schnipsels zumindest für möglich

Boston. Jesus heiratete Maria Magdalena. Das klingt wie ein Satz aus dem Bestseller-Krimi "Sakrileg" von Dan Brown. Doch es ist ein Papyrus-Fragment aus dem 4. Jahrhundert, das die Spekulationen über Jesu Verhältnis zu Frauen neu belebt. Analysiert wurde der Text von Karen L. King, einer Historikerin der Universität Harvard, die Expertin für koptische Literatur ist. Die Professorin stellte das Fragment jetzt auf einem Kongress in Rom vor.

Ein privater Sammler, der anonym bleiben will, soll die Historikerin um eine Übersetzung gebeten haben. Über den Fundort ist nichts bekannt, laut King könnte er in Ägypten liegen. Die schwarze Schrift auf dem vergilbten Papyrus-Fetzen, der mit 3,8 mal 7,6 Zentimetern etwas kleiner als eine Visitenkarte ist, kann man nur mit einem Vergrößerungsglas entziffern. Laut "New York Times" gehen Papyrologen und Linguisten davon aus, dass das Dokument echt ist. In dem in koptischer Sprache verfassten Text heißt es in einem Dialog: "Jesus sagte zu ihnen, ,meine Frau'...".

Die Frau, auf die sich das Zitat bezieht, identifizierte King als "Maria". Demnach diskutiert Jesus mit seinen Jüngern darüber, ob Maria würdig sei. Dabei sage Jesus, Maria könne seine Jüngerin sein. Seit den Anfängen des Christentums gibt es eine Debatte darüber, ob Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war und ob er einen weiblichen Jünger hatte - nicht erst seit Dan Brown 2003 seinen Bestseller geschrieben hat, der drei Jahre später unter dem Titel "The Da Vinci Code - Sakrileg" verfilmt wurde.

Historikerin King sagte, das Dokument belege nicht, dass Jesus verheiratet gewesen sei, doch gebe es Hinweise auf das Verhältnis der frühen Christen zu Familie, Sexualität und Heirat. Es könnte außerdem belegen, dass es bereits unter frühen Christen eine Diskussion darüber gab, ob Jesus verheiratet war oder zölibatär lebte und "welchen Weg seine Anhänger wählen sollten", so King. Die Debatte über Jesu Verhältnis zum anderen Geschlecht ist bis heute aktuell, wenn es beispielsweise darum geht, ob Frauen zum Priester geweiht werden dürfen.

Nach dem Papyrus-Fund müsse jetzt aber weder das Zölibat aufgehoben noch die Bibel neu geschrieben werden, sagte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke dem Hamburger Abendblatt. "Für die Zölibat-Gegner ergibt sich keine neue Argumentationslage, weil Jesus das Zölibat immer als Einladung formuliert hat, nicht als Pflicht." Jesus habe gesagt: "Die Ehe besteht zwischen Mann und Frau, und zwar bis zum Tod. Es gibt aber auch Männer und Frauen, die um des Himmelsreiches willen auf die Ehe verzichten."

King und die Wissenschaftlerin Anne Marie Luijendijk von der Universität Princeton sagten indes, das Dokument stamme möglicherweise aus einem kürzlich entdeckten Evangelium über die Frau Jesu. Der Text sei vermutlich eine Abschrift eines ursprünglich in Altgriechisch verfassten Evangeliums aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, denn er weise Ähnlichkeiten mit anderen kürzlich entdeckten Evangelien auf.

Der private Sammler, der das Dokument an King weitergab, soll es laut "New York Times" 1997 zusammen mit anderen von einem Deutschen erworben haben. Dem Text beigelegt war demnach eine handgeschriebene, auf Deutsch verfasste Notiz. Darauf wird unter Berufung auf einen inzwischen verstorbenen Berliner Ägyptologen darauf hingewiesen, dass es sich um "das einzige Beispiel" eines Textes handele, in dem Jesus eine Frau als seine bezeichne.

Dass Frauen im Umkreis Jesu unterwegs waren, ist "historisch völlig unstrittig", sagte Peter Pilhofer, Professor für Neues Testament an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Es habe geradezu einen "Fanklub von Frauen" gegeben, aber nicht die eine Frau im Leben von Jesus. Auch Jaschke sieht das so: "Dass Jesus verheiratet gewesen sein soll, gehört ins Reich der reinen Fantasie." Dan Brown habe die Spekulationen über eine Frau an Jesu Seite schon vor Jahren stark angeheizt, "aber ein Krimi ist noch lange nicht die Realität", sagte der Weihbischof.