Die tödliche Tiger-Attacke auf eine Pflegerin im Kölner Zoo hat einen Streit um die Wildtierhaltung ausgelöst. Kritiker fordern von der Bundesregierung ein Tiger-Verbot für deutsche Zoos. Die Großkatzen seien dort zu gefährlich – und außerdem unglücklich.

Köln. Tiger sind gefährlich, das weiß jedes Kind, aber im Zoo wirken sie mitunter geradezu zahm. Sie dösen auf einem Felsen oder trotten gemächlich im Kreis herum. Selbst wenn sie einmal in ganzer Streifenpracht vor die Besucher treten, getrennt nur durch eine Panzerglasscheibe, zuckt keiner zurück. Nun hat die tödliche Attacke auf eine Pflegerin im Kölner Zoo auf einen Schlag wieder klar gemacht, wie gefährlich die Tiere sind, die da mitten in der Großstadt hinter Gittern und Gräben leben. Einige Tierschützer nutzen nun die Gelegenheit, um die Wildtierhaltung generell infrage zu stellen.

Die Tierschutzorganisation Peta fordert von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein Verbot. „Wenn ein Tiger die Möglichkeit hat, einen Menschen anzufallen oder zu entkommen, dann nutzt er diese auch“, sagt Peta-Mitarbeiter Peter Höffken. „Allein in diesem Jahr sind schon drei Mal Geparden aus ihrem Gehege entkommen, einmal im Kölner Zoo, zwei Mal im Tiergarten Nürnberg. Daran sieht man doch: Diese Tiere wollen einfach nur raus.“

„Absoluter Blödsinn!“, lautet dazu der Kommentar von Peter Dollinger, Generalsekretär des Verbands Deutscher Zoodirektoren in Bern. „Wir führen keine Statistik, aber ich denke, wenn es in den letzten zehn Jahren zwei, drei Unfälle mit tödlichem Ausgang in Deutschland gab, dann ist das viel.“ Ein Restrisiko bleibe immer, sagt der Zoologische Direktor im Hamburger Tierpark Hagenbeck, Stephan Hering-Hagenbeck.

Wenn ein so schwerer Unfall wie jetzt in Köln passiert, kommt immer gleich die Frage hoch, ob Zoos nicht Tierquälerei sind. Gerade Großkatzen wie Tiger und Löwen machen in Gefangenschaft oft einen traurigen Eindruck – jedenfalls auf den normalen Besucher. Es sieht aus, als hätten sie schreckliche Langeweile.

Kritiker verweisen darauf, dass das Revier eines freilebenden Tigers in etwa so groß ist wie die Fläche einer Großstadt. „Die Tiere legen am Tag bis zu 30 Kilometer zurück“, sagt Thomas Pietsch von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Untersuchungen hätten ergeben, dass solche Tiere im Zoo besonders oft Verhaltensstörungen entwickelten. „Bei Raubkatzen wie Tigern ist das oft dieses Auf- und Abgehen auf festen Wegen über einen langen Zeitraum.“

Ja aber – entgegnen die Befürworter – wer sagt denn, dass es dem Tiger Spaß macht, so weit herumzulaufen? Das tut er doch nur, weil er Beute jagen muss. Ein Löwe, der seine Löwinnen jagen lassen kann, verbringt auch in freier Wildbahn 23 von 24 Stunden mit Schlafen. Und bei Wildluchsen hat eine Untersuchung nach Angaben der Zoodirektoren ergeben, dass sie zwar große Strecken zurücklegen, aber dabei immer auf denselben Pfaden bleiben.

„Die Erhaltungszucht bedrohter Tierarten darf trotz wiederkehrender Unfälle nicht infrage gestellt werden“, sagt Hering-Hagenbeck. Der Zoo als Arche Noah – ein schönes Bild. Aber auch davon lassen sich die Kritiker nicht überzeugen. Die schon in Gefangenschaft geborenen Zoo-Tiger wären in der Wildnis nicht überlebensfähig und könnten deshalb niemals dazu dienen, die bedrohten Bestände wieder anzureichern, sagen sie.

Die Naturschutzorganisation WWF will sich den Forderungen nach einem Tiger-Verbot für die deutschen Zoos dennoch nicht anschließen. Es stimme zwar, dass selbst das größte Freigehege keinen natürlichen Lebensraum schaffen könne, sagt WWF-Sprecher Jörn Ehlers. Aber neben der Zucht zur Arterhaltung ist für ihn vor allem der Bildungsauftrag der Zoos unverzichtbar: „Viele Leute haben, glaube ich, durch Knut den Eisbär zum ersten Mal davon erfahren, dass die Arktis schmilzt.“

(dpa)