Sensationsfund vor Grönland. Das Schiff, das Robert F. Scott in die Antarktis brachte, lag 70 Jahre in 300 Meter Tiefe

Berlin/Hamburg. Berühmte Schiffswracks, wie das der "Titanic" oder das des deutschen Schlachtschiffs "Bismarck", die nach Jahrzehnten entdeckt werden, erzählen bisweilen tragische Geschichten. So auch das jetzt entdeckte Wrack des britischen Schiffs "Terra Nova". 70 Jahre lang lag es in 300 Meter Tiefe im eisigen Wasser der Labradorsee vor der Südwestspitze Grönlands. Doch jetzt stieß das Forschungsschiff "R/V Falkor" des US-amerikanischen Schmidt Ocean Institute, das eigentlich nur seine technische Ausrüstung testen wollte, zufällig auf den legendären Segler.

Im Falle der "Terra Nova" haben die Geschichten nichts mit dem Untergang zu tun. Damals, im September 1943, wurden alle 24 Mann der Besatzung von der US-Küstenwache gerettet. Dafür aber steht der hölzerne Dreimaster für das spektakulärste Scheitern der jüngeren Expeditionsgeschichte, letztlich auch für eine grandiose Blamage der einst führenden Seemacht.

Die "Terra Nova" war es, die 1910 die Mannschaft des Briten Robert Falcon Scott in die Antarktis brachte, der sich anschließend zu Fuß in Richtung Südpol aufmachte, um ihn als erster Mensch zu erreichen. Bekanntlich wurden Scott und seine Kameraden nicht nur vom Norweger Roald Amundsen um über einen Monat geschlagen, sie kamen bei ihrem Rückmarsch vom Pol in Eis und Schnee um.

Doch nicht nur an diesem Misserfolg war die "Terra Nova" beteiligt. Bereits ihr erster Einsatz in der Antarktis knapp zehn Jahre zuvor hatte damit zu tun, dass Robert F. Scott als Polarexperte überfordert war.

1884 war der Segler in Dienst gestellt worden - von Wal- und Robbenfängern im schottischen Dundee. Ausgerichtet auf die Fangreviere in hohen Breiten war er aus dickwandigem Eichenholz so geformt, dass er zur Not auch dem Packeis trotzen konnte, egal ob im Norden oder Süden. 1903 charterte die britische Admiralität deshalb die "Terra Nova", um die "Discovery"-Expedition zu befreien, die im McMurdo-Sund vor dem antarktischen Viktorialand im Eis feststeckte. Kommandant der "Discovery": Robert Falcon Scott.

Immer wieder wechselte das Schiff danach seinen Besitzer, mal waren es Walfänger, mal Expeditionsunternehmen. Als Scotts Pläne für seinen Vorstoß zum Südpol konkreter wurden, besann er sich des robusten Segelkahns, kaufte ihn für 12 500 Pfund und ließ seine Wandungen noch einmal mit Eichenbohlen verstärken, auf rund zwei Meter. An der "Terra Nova" lag es also nach all den Umbauten nicht, dass Scotts Expedition in einer Katastrophe endete. Eher schon daran, was der Kommandant vor dem Auslaufen alles in ihrem Bauch bunkern ließ. Da waren zum Beispiel drei monströse Motorschlitten, 19 sibirische Ponys - und 30 Schlittenhunde. Viel zu wenige Huskies also für so ein Vorhaben, bei dem man sich schließlich in Staffeln vorwärtsbewegte, um Depots anzulegen, um alle Mann einsetzen zu können, nicht nur diejenigen, die letztlich das Ziel erreichen sollten. Doch Scott misstraute den Hunden, weil er nicht mit ihnen umgehen konnte, setzte lieber auf schweres Gerät und Ponys, beides denkbar fehl am antarktischen Platze.

Und so musste die Crew der schwerfälligen "Terra Nova" im Januar 1911 nach der Ankunft am Kap Evans mitansehen, wie ein Motorschlitten schon beim Auspacken auf Nimmerwiedersehen durch das Eis krachte, und wenig später die beiden anderen Fahrzeuge den Geist aufgaben.

800 Kilometer weiter westlich, auf der anderen Seite des vereisten Rossmeeres, bereitete sich der große Widersacher auf das Rennen vor: Roald Amundsen, der nicht nur Scott, sondern auch seiner eigenen Mannschaft erst nach seiner Abreise mitgeteilt hatte, dass er ebenfalls den Südpol erreichen wollte - und nicht den Nordpol, wie er ursprünglich vorhatte. Nachdem das - wohl letztlich falsche - Gerücht aufkam, dass die Amerikaner Robert Peary oder Frederick Cook den Nordpol erreicht hatten, polte Amundsen um. Zu Scotts Entsetzen.

Die "Terra Nova" war es nun, die für einen der größten Tiefschläge Scotts mitverantwortlich war. Ein Teil seiner Mannschaft segelte mit ihr während der Vorbereitung zu einem Besuch in Amundsens Lager. Nach ihrer Rückkehr war Scott deprimiert, notierte in sein Tagebuch, dass Amundsen wohl bald schon aufbrechen wollte, dass seine Männer "arbeiten wie die Ameisen", ohne wissenschaftliche Ambitionen, sie wollten nur die Ersten sein. Amundsen wiederum zeigte sich nach dem Besuch der "Terra Nova" beeindruckt von den - offenbar aufschneiderischen - Erzählungen über Scotts Motorschlitten.

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Als die "Terra Nova" - die in Neuseeland überwinterte - im Frühjahr 1912 zurückkehrte, um Scott und seine Mannschaft abzuholen, waren Scott und vier seiner Männer erfroren. Bis 1943 stand das Schiff weiter in verschiedenen Diensten, zum Robbenfischen, als Kohletransporter. Während des Krieges diente es zur Versorgung von Stationen in Grönland. Dabei kollidierte es mit Eisbergen und wurde so stark beschädigt, dass es das Küstenwachboot, das die Besatzung abholte, mit gezielten Schüssen versenkte.

"Es ist unglaublich, dass eines der berühmtesten Schiffe der Geschichte 100 Jahre nach dem Wettlauf zum Pol wiedergefunden wurde", freute sich nun ein Forscher in der britischen Zeitung "The Telegraph".