Vierspurig, schnurgerade und ohne Kreuzung: Die “Luxusstraße“ führte von Köln nach Bonn. Am 6. August 1932 wurde sie eingeweiht.

Köln. "So werden die Straßen der Zukunft aussehen", verkündet Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer stolz. Die Zukunft ist eine fast 20 Kilometer lange, ganz neuartige Fahrbahn von Köln nach Bonn, die das Stadtoberhaupt am 6. August 1932 eröffnet: vierspurig, schnurgerade und kreuzungsfrei - die erste deutsche Autobahn.

Bis heute wird der Autobahnbau in Deutschland häufig mit dem Namen Hitler in Verbindung gebracht. Doch das Bild von den "Straßen des Führers" ist eine Legende. Erste Überlegungen für getrennte, mehrstreifige Fahrbahnen, die nur Autos vorbehalten sind, beginnen viel früher. Grund ist eine rasante Entwicklung des Verkehrs in den 1920er-Jahren. In den verwinkelten Ortschaften kommt es zu Staus, Fahrer schlängeln sich immer rücksichtsloser an Fuhrwerken wie Fußgängern vorbei, Raser überschätzen sich mit ihren immer schneller werdenden Fahrzeugen. So werden 1929 bereits 5867 Verkehrstote auf deutschen Straßen gezählt.

Zwischen Köln und Bonn herrscht der dichteste Verkehr in ganz Deutschland. Die preußische Rheinprovinz ist stark besiedelt und verfügt mit dem Ruhrgebiet über die größte Industriekonzentration. Konrad Adenauer, Oberbürgermeister von Köln seit 1917, sieht die Lösung für das Verkehrsproblem längst in einer "Nur-Automobilstraße", getrennt vom Nahverkehr und abseits der Ortschaften. 1926 beginnen die ersten Planungen. Doch Adenauer wird mit einer Haltung konfrontiert, die auch die Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau und der Verein zum Bau einer "Schnellverkehrsstrecke" von Hamburg über Frankfurt nach Basel erfahren, kurz HaFraBa genannt. Vereinschef Robert Otzen sollte 1929 den Begriff "Autobahn" prägen - in Analogie zur Eisenbahn. Zum Leidwesen dieser Initiativen privater Autofreunde finden sie keine Unterstützung in der Politik und der Öffentlichkeit. Deutschland sei zu arm für solche "Luxusstraßen", sagt Reichsverkehrsminister Theodor von Guérard. Am öffentlichen Boykott beteiligen sich auch die Nationalsozialisten. Im Ausland schütteln Experten den Kopf darüber, dass Deutschland mit seiner Automobilindustrie den Nutzen schneller Straßen verneint.

+++ Fahr'n, fahr'n, fahr'n auf der Autobahn ... +++

Wenigstens der Bau der "Luxusstraße" von Köln nach Bonn gelingt - und wird schließlich sogar vom Staat mitfinanziert: Die Bauarbeiten werden als Notstandsarbeit deklariert und so 5500 Arbeitslose beschäftigt. Um sie sinnvoll einzusetzen, ist der Einsatz von Baggern untersagt. Am Ende werden so 45 Prozent der Kosten aus der Erwerbslosenfürsorge bestritten, den Rest der knapp neun Millionen Reichsmark decken Anleihen auf dem Kapitalmarkt und der Provinzialhaushalt.

Bis der Bau 1929 beginnen kann, müssen 650 Kaufverträge für Flächen geschlossen werden, nur in 13 Fällen sind Enteignungen notwendig. Pech hat unter anderem der Golf- und Land-Club Köln, der einen Teil seines 18-Loch-Platzes verliert, weil die Autobahn mitten durchs Klubgelände führt. Am 6. August 1932 wird sie offiziell eingeweiht. Dazu reisen 2000 Autofahrer aus Europa in einer "Sternfahrt" an und müssen fünf Reichsmark Teilnahmegebühr bezahlen. Der Eindruck von der Strecke ist das Geld wert. Zwei Tage später ist sie für den Verkehr frei. Die Standards ähneln den heutiger Autobahnen: geringe Steigungen, ausreichend Sichtweiten, große Kurvenradien, griffige Beläge. Selbst an Standstreifen, Leitplanken und Beleuchtung für Nachtfahrten wird gedacht. Eine Mittelleitplanke fehlt allerdings. Die Planer fürchten schwere Unfälle, falls ein Kraftwagen "abirrt" und an den Bordstein stößt. Das werden später ungeduldige Fahrer nutzen, um auf der Gegenspur voranzukommen. Für das Benutzen gibt die Polizei am 2. August 1932 eigens eine Verordnung heraus. Danach sind Halten, Parken und Wenden ebenso tabu wie das "Treiben und Führen von Tieren". Dafür dürfen die Fahrer richtig Gas geben: Obwohl die Autos im Schnitt nur 60 Stundenkilometer schaffen, sind 120 erlaubt.

Die Strecke bleibt - bis Hitler an die Macht kommt - Deutschlands einzige Autobahn. Der Diktator hat jedoch längst erkannt, dass er den Autobahnbau als Beleg für die Modernität des Nationalsozialismus propagandistisch ausschlachten kann. Und er greift auf die bereits vorhandenen Planungen zurück. Im September 1933 eröffnet er in Frankfurt am Main den Bau der ersten neuen Ausbaustrecke nach Darmstadt mit dem Spatenstich. Zuvor hat er die "Adenauer-Autobahn" zur "Landstraße" herabgestuft, damit er den Ruhm, die "erste Autobahn" gebaut zu haben, für sich verbuchen kann.

Auch nach 1945 bleibt Adenauers Straße, 1958 endgültig als "Autobahn" eingestuft, etwas Besonderes. Die A 555 wird von den Bonner Regierungsbeamten, die in Köln wohnen, als schneller Arbeitsweg geschätzt ("Diplomatenrennbahn"). In den 90er-Jahren werden die ersten Tests mit der Lkw-Maut durchgeführt. Konrad Adenauer hat also recht behalten mit seiner Einschätzung vor 80 Jahren: "So werden die Straßen der Zukunft aussehen."