Sie zerstören historische Schiffswracks vor der ostdeutschen Küste. Jetzt sollen Schilder unter Wasser warnen

Rostock. 78 Jahre lang ruhte der Kruppsche Motorschoner "Gaarden" unentdeckt nahe der Kadetrinne 20 Meter tief auf dem Ostseegrund. Als im Jahr 2000 Forschungstaucher den 57 Meter langen Dreimastschoner entdeckten, schwammen sie noch über ein erstaunlich gut erhalten gebliebenes Wrack. Zwölf Jahre später sind die Laderäume des oft von Hobbytauchern aufgesuchten Stahlseglers massiv beschädigt und fast vollständig zusammengefallen. Kleinteile wie Geschirr und persönliche Gegenstände der Crew seien verschwunden, sagt Martin Siegel. Der Chef der Gesellschaft für Schiffsarchäologie ist sich sicher: "Hier waren Plünderer am Werk." Tatsächlich habe sich unlängst ein Schiffsführer einer Rostocker Tauchbasis vor Zuhörern damit gebrüstet, Teller aus dem Wrack geholt zu haben.

Auch ein etwa 100 Jahre alter Schlepper, vermutlich im oder nach dem Zweiten Weltkrieg vor Warnemünde gesunken und erst vor drei Jahren von Sonarcannern geortet, bekam Besuch von Schatztauchern und Souvenirjägern. Als Siegel vor einer Woche mit Mitstreitern das in neun Meter Tiefe liegende Wrack inspizieren wollte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. "Das Vorschiff ist auseinandergerissen, wir fanden massive Grabungsspuren im Kajütbereich und Zeichen mutwilliger Zerstörung."

Keine Einzelfälle, wie Unterwasserarchäologen bestätigen. Seit dem Verschwinden der abgeschotteten DDR-Grenze erkunden ganzjährig unzählige Hobbytaucher die zahlreichen legendären Wracks vor der ostdeutschen Küste. Nicht alle seien sich bewusst, dass sie Denkmäler vor sich haben, die Allgemeingut seien, sagt Siegel. Auf der Suche nach Verwertbarem rückten manche Abenteurer mit schwerster Technik in die Tiefe.

Von einem zwölf Meter langen Zwei-Mann-U-Boot der Seehund-Klasse, vor einigen Jahren in der Wismarbucht entdeckt, trennten sie sogar die gesamte Kuppel ab. Wieso der Diebstahl des mehrere Hundert Kilo schweren Einstiegsluke unentdeckt blieb, ist ein Rätsel. Dem endgültigen Verfall preisgegeben ist auch die 1884 vor Nienhagen auf Grund gelaufene norwegische Brigg "Nissen", seitdem Taucher mit Brachialgewalt Kupfernägel an den Holzspanten abgesägt haben.

Geklaut werde alles, auch was niet- und nagelfest sei, klagt Mecklenburg-Vorpommerns Chefarchäologe Detlef Jantzen. Am Kreuzer "Wacht", einem 85 Meter langen Schiff der Kaiserlichen Marine, das 1901 nach einer Schiffskollision vor Rügen sank, seien im Sommer 2005 sogar alle acht Bronzeplatten mit dem fünfzackigen Stern an den Pollern demontiert worden. Auch die Buchstaben W, C und H vom Namenszug Wacht verschwanden. Alle Plünderer machen sich schuldig und müssen mit einer Anzeige rechnen, denn Schiffswracks bis zu zwölf Seemeilen vor der Küste sind Staatseigentum. Und alle Schiffe, die vor dem Zweiten Weltkrieg sanken, stehen unter Denkmalschutz.

Aber auch offizielle Stellen sind mitunter nicht gerade zimperlich. Der Bundeswehr in Dresden wirft Jantzen zum Beispiel vor, im November 2009 ohne erforderliche denkmalrechtliche Genehmigung ein Flugzeugwrack einer Messerschmitt 108 aus Rügens Kleinem Jasmunder Bodden gehoben zu haben. Auch die unvollständige Bergung eines Sturzkampfflugzeugs Ju 88 im Seegebiet vor Sassnitz verlief nicht gerade fachgerecht. Die größten Probleme aber bereiten den Denkmalschützern Schatzjäger, die in ihrer Gier irreparable und gefährliche Schäden hinterlassen, die späteren Tauchern zum Verhängnis werden könnten. Zum Schutz der maritimen Denkmäler wollen Schiffsarchäologen daher noch dieses Jahr unter Wasser spezielle Hinweisschilder verankern. "Wir werden gemeinsam mit Spezialisten einer Tauchbasis in Rerik unmittelbar neben historisch besonders wertvollen Wracks aufrecht stehende Tafeln installieren", kündigt Siegel an.