Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Der Angeklagte Josef Fritzl zeigte in seinem Schlusswort noch einmal “Reue“. Sehen Sie Bilder zum Fall.

St. Pölten. Das Urteil fiel einstimmig und ist bereits rechtskräftig: Josef Fritzl (73) muss eine lebenslange Haftstrafe in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verbüßen. Acht Geschworene befanden ihn gestern vor dem Landesgericht St. Pölten für schuldig in allen Punkten der Anklage: Sklaverei, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung, Blutschande und auch des zuletzt einzigen umstrittenen Vorwurfs, des Mordes durch Unterlassung. Fritzl zeigte bei der Verlesung keine Emotionen und sagte danach zweimal mit fester Stimme: "Ich nehme das Urteil an."

Es war ein Prozess voller Turbulenzen: Er begann schrill und endete deutlich früher als erwartet. Jeden Tag wurde über Einlass und Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert. Und der Angeklagte wies die schwersten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft erst zurück, nur um sich zwei Tage später doch in allen Punkten schuldig zu bekennen. Kontinuität gab es nur in einer Hinsicht: Die treibende Kraft des Verfahrens war eine Frau ohne Gesicht, eine Unsichtbare - die Tochter, das Hauptopfer von Fritzl.

Fritzls viertälteste Tochter musste ein Martyrium erdulden, das in der österreichischen Kriminalgeschichte bisher ohne Beispiel ist. Ihr Vater sperrte sie 1984, da war sie 18, in ein fensterloses, feuchtes Kellerloch und ließ sie erst 2008, da war sie 42, wieder heraus. Grund: Eines der sieben Kinder, die er in Tausenden Vergewaltigungen mit ihr gezeugt hatte, war schwer erkrankt. Ihre elfstündige Aussage war der wichtigste Beweis der Staatsanwaltschaft, ihre Anwesenheit im Gerichtssaal soll Fritzl am Dienstag dazu gebracht haben, seine Strategie zu ändern und sein Geständnis auszuweiten. In ihrem Namen hat gestern die Opferanwältin Eva Plaz den Geschworenen eingeschärft, Fritzl nicht vom Haken zu lassen. Auch nicht wegen Mordes.

Dass er den Rest seines Lebens in einer geschlossenen Anstalt verbringen würde, sei vorhersehbar gewesen, sagte Plaz schon vor der Urteilsverkündung. Sie meldete sich nach den Plädoyers von Staatsanwältin Christine Burkheiser und Verteidiger Rudolf Mayer erstmals zu Wort. Über ihre Anwältin ließ die Tochter erklären, sie wünsche, dass ihr Vater nie mehr in Freiheit komme: "Sie will, dass der Angeklagte bis zum Tod zur Verantwortung gezogen wird", sagte Plaz. "Sie findet damals wie heute, dass sie das ihrem Sohn schuldet. Sie will, dass er für seinen Tod verurteilt wird."

Hauptgrund für die eindrücklichen Worte der Opferanwältin ist Fritzls Geständnis vom Mittwoch: Genau wie die Staatsanwältin hat Plaz betont, er habe mit seinen Worten "Ich hätt's erkennen müssen" juristisch gesehen keinen Mord durch Unterlassen an dem zwei Tage nach der Geburt verstorbenen Inzestkind gestanden, sondern bloß fahrlässige Tötung. "Das war kein Geständnis, und schon gar kein reumütiges, das war eine Finte", sagte sie, an die Geschworenen gerichtet. Und dann erinnerte sie noch einmal an die auf Video aufgezeichnete Aussage seiner Tochter: Das Baby sei unter Qualen gestorben, der Angeklagte habe es einfach sterben lassen, er habe sich zum Herren über Leben und Tod aufgespielt.

Rudolf Mayer, Fritzls Verteidiger, hatte daraufhin noch einmal das Wort ergriffen. Er sagte, Fritzls Geständnis sei kein Täuschungsmanöver gewesen. Schon als er erstmals die Aussage seiner Tochter gehört habe, sei er "verfallen", als er sie dann auch noch auf der Zuschauertribüne sah, sei es "ganz aus" mit ihm gewesen. Trotzdem sei er, Mayer, aber der Meinung, dass der Tatbestand des Mordes nicht erfüllt sei. Um zu belegen, dass Fritzl nach der Geburt des Kindes keinen Todeskampf miterlebt habe, zitierte er wie in seinem Plädoyer wenige Minuten zuvor aus tagebuchähnlichen Einträgen, die die Tochter während ihrer Gefangenschaft auf Einkaufsbons schrieb. "Niemand kümmert sich um Gitterbetten und die Namen der Zwillinge, wenn gleichzeitig ein Todeskampf stattfindet", sagte Mayer. Bevor er sich setzte, bat er die Geschworenen noch um Verständnis: "Er hat sich nicht ausgesucht, dass er so geworden ist, so emotional verkrüppelt. Jedes Kind will geliebt werden." Zu Beginn der Verhandlung hatte die Staatsanwältin jedoch bereits die Geschworenen gewarnt, Fritzls vermeintlich umfassendem Geständnis zu viel Glauben zu schenken "Es war Mord durch Unterlassen! Und dafür verdient er die Höchststrafe."

In den nächsten Tagen soll er in die Justizanstalt Wien-Mittersteig gebracht werden, dort wird dann entschieden werden, in welcher Institution er seine Freiheitsstrafe absitzen wird. Wahrscheinlich wird es keine psychiatrische Klinik sein, sondern ein großes Gefängnis mit entsprechender Abteilung sein.

Fritzl scheint sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Vor der Beratung der Geschworenen hatte ihn die Richterin gefragt, ob er noch etwas sagen wolle. Und Fritzl bejahte. "Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe", sagte er. "Aber ich kann es leider nicht mehr gutmachen." Der letzte Satz gehört wohl zu den wenigen, die selbst seine Tochter unterschreiben würde.