Der Vater eines Opfers hält Rache für ein Motiv des Amokschützen. Der Psychiater hat sich ausgiebig mit seiner Persönlichkeit beschäftigt.

Hamburg. Der Vater eines beim Schulmassaker in Winnenden getöteten Mädchens hält eine intensivere Auseinandersetzung der Gesellschaft mit Amokläufen für nötig. Der Prozess gegen den Vater des 17-jährigen Tim K., der am 11. März 15 Menschen und sich selbst erschossen hatte, sei für die Aufklärung der Ursachen enorm wichtig - nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für die Gesellschaft, sagte Jurij Minasenko dem Magazin „Stern“. Er hat seine 16-jährige Tochter, sein einziges Kind, bei dem Amoklauf verloren.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat den Vater des Amokläufers wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Das Landgericht muss entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird und ob ein Prozess stattfindet. Der Unternehmer hatte die Tatwaffe laut Staatsanwaltschaft ungesichert im Schlafzimmer seines Hauses in Leutenbach (Rems-Murr-Kreis) liegenlassen und nicht wie vorgeschrieben im Schrank verschlossen. An dem Prozess will Minasenko, der laut „Stern“ Psychiater ist, als Nebenkläger teilnehmen und Aufklärung darüber erlangen, „was Tims Eltern wussten; ich möchte wissen, wie sie auf die Warnsignale reagiert haben“. Es gebe eine „Kette von Ursachen, die schließlich zum Amoklauf führten. In dieser Kette war der Vater das wichtigste Glied“. Minasenko sagte: „Bis jetzt gibt es in Deutschland kein richtiges Verständnis über Amokläufe.“

Ein Schulmassaker wie das von Winnenden sei mehr als ein erweiterter Suizid. Es bedeute Rache und Protest des Täters nach dem Motto: „Ich werde euch zeigen, wer ich bin. Ihr kennt mich gar nicht. Ich sterbe nicht, weil ich schwach bin, sondern weil ich stark bin.“ Sterben „als Demonstration der Macht“ könnte ein Trend werden, meinte er, „wenn der Einzelne beschließt, dass für ihn das Gewaltmonopol des Staates nicht mehr gilt“. Der aus der Ukraine stammende Psychiater hat dem Bericht zufolge die Ermittlungsakten zum Fall Winnenden studiert. Er kommt zum Ergebnis, dass Tim K. eine massive Persönlichkeitsstörung hatte. „Doch die ist nicht wie ein plötzlicher Herzinfarkt, sondern das Resultat einer pathologischen Entwicklung, die schon in der frühen Kindheit beginnt.“