MS “Deutschland“: Kapitän protestiert gegen drohende Ausflaggung - Crew bittet Bundespräsident Gauck um Hilfe

London/Hamburg. Millionen Deutsche kennen sie aus dem Fernsehen als das "Traumschiff" schlechthin - doch jetzt spielen sich auf der MS "Deutschland" unschöne Szenen ab. Ein großer Teil der Crew wehrt sich gegen die Pläne des Eigners, das Schiff künftig unter maltesischer Flagge fahren zu lassen. Eine Art Meuterei auf dem Traumschiff. Nun ist der Streit eskaliert: Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, wurde Kapitän Andreas Jungblut von Bord verwiesen.

Jungblut war trotz Urlaubs nach London gereist, um seiner Besatzung im Streit um die Ausflaggung beizustehen. Über das, was dann an Bord geschah, gibt es widersprüchliche Berichte. Der Kapitän selbst spricht "Bild" gegenüber von "Schiffsverbot": Es sei ein "einmalig würdeloser Fall in der Schifffahrt", dass ein Kapitän von Bord geworfen würde.

Die Reederei beschwichtigt: Jungblut sei keineswegs von Bord gejagt worden, sagt Sprecherin Kornelia Kneissl. Aber er sei im Urlaub und habe keinen Grund, auf dem Schiff zu sein. "Dabei hat er die Frage, warum er nicht seinen Urlaub genieße, als unfreundlichen Rauswurf aufgefasst." Erregt habe Jungblut das Schiff verlassen. "Wir finden es seltsam, dass der Kapitän die Auseinandersetzung so nachhaltig und kompromisslos über Medien und Öffentlichkeit austrägt", so Kneissl weiter.

Schon länger schwelt der Konflikt zwischen Schiffscrew und Eigner. Die Reederei Deilmann aus dem holsteinischen Neustadt wurde nach ihrer Insolvenz im Jahr 2010 von der Münchner Finanzholding Aurelius übernommen. Noch ist die "Deutschland" das letzte große deutsche Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge. Um Kosten zu sparen, will die Aurelius AG sie aber bald unter der Flagge Maltas fahren lassen.

Die Ausflaggung eines Schiffs - die Registrierung im Ausland - senkt für den Eigentümer die Kosten. Deutsche Reeder nutzen vielfach die Billigflaggen zu besonders günstigen Konditionen von Liberia, Marshall Islands und Antigua. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert das Ausflaggen, da es für die Seeleute unter anderem schlechtere Bezahlung und längere Arbeitszeiten bedeute. "Eine Reederei spart Steuern und Sozialleistungen und muss sich nicht mehr an die Tarifverträge halten", sagt Karl-Heinz Biesold, Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt. "3000 Euro erhält ein Seemann auf dem Kreuzfahrtschiff zurzeit. Nach dem Ausflaggen müsste er maximal 2000 bekommen." Biesold hat nach dem Vorfall mit Jungblut gesprochen. "Die Geschäftsführung hat ihm ganz klar gesagt, dass er das Schiff verlassen muss", sagt er. "Wir befürchten, dass nun die Kündigung folgen wird." Jungblut fährt schon seit Jahrzehnten für die Reederei. "Wenn ein so verdienter Kapitän von Bord geworfen wird, kann sich auch ein Matrose nicht mehr sicher fühlen", so Biesold. Der Verband Deutscher Reeder sagt zwar, die Bezahlung habe nichts mit der Flagge zu tun - allerdings würden nach einer Ausflaggung gegebenenfalls keine deutschen Seeleute mehr eingesetzt.

Seit Mai sind die Pläne zur Ausflaggung bekannt. Wie vehement er sie ablehnt, hat Kapitän Jungblut seither mehrmals deutlich gemacht. Im Namen seiner Crew hat er einen offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck verfasst, in dem er erklärt, dass die "Deutschland" auch unter deutscher Flagge wirtschaftlich fahren könne. "Man wechselt die Flagge nicht wie ein Unterhemd", schreibt er. Gauck wurde am Freitagabend in London zu einem Besuch auf der "Deutschland" erwartet. Die Schiffscrew wollte ihm eine Petition überreichen und um Hilfe und Vermittlung bitten.

Durch die Fernsehkarriere der "Deutschland" erregt der Flaggenstreit besondere Aufmerksamkeit: Seit 1999 war das Kreuzfahrtschiff bei 36 Folgen der ZDF-Serie "Traumschiff" neben Schauspielern wie Siegfried Rauch (als Kapitän), Heide Keller (Chefhostess) und prominenten Gästen wie Harald Schmidt, Inka Bause oder Thomas Gottschalk eine Art Hauptdarsteller. Auch für den Ableger "Kreuzfahrt ins Glück" ist sie im Einsatz.

Momentan liegt sie als offizielles deutsches Olympiaschiff in London. Am Mittwoch war der Kapitän dort noch scherzend auf dem Sonnendeck gesehen worden, abends verließ er dann das Schiff. Sein Urlaub wird laut Reederei noch die gesamten Olympischen Spiele lang andauern.

Ob Jungblut an Bord sein wird, wenn die MS "Deutschland" am 15. August in den Hamburger Hafen einläuft, ist ungewiss. Das Kreuzfahrtschiff wird die deutschen Olympioniken in die Hansestadt bringen. Um 10 Uhr werden die Sportler am Cruise Terminal in der HafenCity erwartet, danach gibt es einen Senatsempfang. Die Gewerkschaft rechnet damit, dass das Schiff während des Aufenthalts in Hamburg ausgeflaggt werden könnte.