Drama in dne Bergen: Neun Bergsteiger reißt eine Lawine am Mont-Blanc-Massiv in den Tod. Auch drei Deutsche unter den Opfern.

Chamonix. Um 5.25 Uhr ging bei der Hochgebirgspolizei im französischen Chamonix der Notruf ein. 30 Minuten zuvor hatte eine Lawine am 4465 Meter hohen Mont Maudit ("Verfluchter Berg") im Mont-Blanc-Massiv 28 Bergsteiger mit sich gerissen und auf etwa 4000 Meter Höhe verschüttet. Bei einem der schwersten Unglücke in Frankreichs Alpenregion starben neun Menschen. Unter den Toten sind drei Deutsche, ein Schweizer, drei Briten und zwei Spanier. 15 Bergsteiger der aus zwei Seilmannschaften bestehenden Gruppe, die auf dem Weg zum Mont-Blanc-Gipfel waren, konnten sich aus dem Schnee befreien und wurden per Hubschrauber ins Krankenhaus von Sallanches gebracht. Am Ende eines dramatischen Tages melden sich dann vier Vermisste - zwei hatten ihre Expedition abgebrochen, die anderen beiden eine andere Route gewählt, sagte ein Polizeisprecher in Chamonix.

Die französische Gendarmerie durchkämmte den ganzen Tag über mit Lawinensuchhunden den Unglücksort, zwei Helikopter und zahlreiche freiwillige Helfer waren im Einsatz.

Auslöser der Lawine, die auf 100 Meter Länge ins Tal stürzte, war nach Angaben des Präfekten Philippe de Rumigny wohl eine etwa 40 Zentimeter dicke Eisplatte. Womöglich habe sie einer der Alpinisten an der steilen Nordseite der Maudit-Spitze losgetreten und so das verhängnisvolle Unglück ausgelöst. "Es gab keinen (erklärbaren) Grund für eine Lawine und ein Unglück dieses Ausmaßes", sagte Chamonix' stellvertretender Bürgermeister Jean-Louis Verdier. Nach Angaben des Wetterdienstes Météo-France gab es in dem Gebiet jedoch starke Winde. Dass sich im Sommer eine Lawine löst, ist nach Angaben von Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein (DAV) gut möglich. "Auch im Sommer haben wir ständig mit Schlechtwettersituationen im Hochgebirge zu kämpfen, gerade jetzt zurzeit. Wir haben eine Westwetterlage, und Nordwestwind kommt noch hinzu." Das bedeute entsprechend niedrige Temperaturen im Bereich zwischen 3000 und 4000 Metern. "Wenn feuchte Luft dazukommt, gibt es Niederschlag, der in größerer Höhe als Schnee fällt. Wind ist der Baumeister von Lawinen - da können schon kleinere Neuschneemengen von zehn Zentimetern Verfrachtungen ergeben, die auch im Sommer tatsächlich zu einem Lawinenunglück führen."

"Der Hang ist an dieser Stelle wirklich sehr, sehr steil", sagte Bertrand Francois von der Präfektur des Departements Haute-Savoie in Annecy. "Die Theorie, dass die Gruppe die Lawine selbst ausgelöst haben, halte ich für sehr wahrscheinlich." Bergsteiger hatten bereits in den vergangenen Tagen von Schneebrettern berichtet. Vor fünf Tagen twitterten Kletterer über heftigen Regen in Chamonix, der in 3000 Meter Höhe zu Schnee wurde. Die örtlichen Behörden hatten Bergsteiger immer wieder vor verstärkter Lawinengefahr gewarnt.

Erst in der vergangenen Woche waren in der Schweiz am Lagginhorn fünf deutsche Bergsteiger ums Leben gekommen. Sie waren vermutlich aus Erschöpfung am 4010 Meter hohen Berg abgestürzt. Gibt es eine Erklärung, warum gleich zwei große Gruppe so kurze Zeit hintereinander verunglücken? "Es sind tragische Einzelfälle. Tatsächlich ist es so, dass es in diesem Fall (am Mont Maudit) purer Zufall war, dass gerade zum Unglückzeitpunkt so viele Personen am Hang gestanden haben. Es gibt für diese Unfälle auch keine Gesetzmäßigkeiten, sodass man keine Regel daraus machen kann", sagte Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein. Er schließt auch einen Eisschlag als Unfallursache nicht aus. Das bedeutet, dass sich große Eisbrocken lösen und herunterdonnern.

Schon oft gab es am Mont-Blanc-Massiv tödliche Unfälle. Erst im April war ein Skifahrer aus Nordrhein-Westfalen von einer Lawine in den Tod gerissen worden. Im November 2011 starben zwei französische Bergsteiger in rund 4050 Meter Höhe in einem Schneesturm mit Temperaturen von bis zu minus 30 Grad. Auf der italienischen Seite des Mont Blanc starb im März 2010 eine deutsche Skiläuferin in einer Lawine.

Das bei Alpinisten beliebte Gebiet liegt in den westlichen Alpen, im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Italien. Höchster Gipfel und damit höchster Berg in den Alpen ist mit 4810 Metern der Mont Blanc ("Weißer Berg") im französischen Departement Haute-Savoie. Vom Gipfel bis in eine Höhe von etwa 2500 Metern sind die Hänge von einer bis zu 20 Meter dicken Eisschicht bedeckt. Es waren die französischen Alpinisten Jacques Balmat und Michel Paccard, die den Gipfel am 8. August 1786 erstmals bestiegen.