Hass und Häme waren gestern: Eine neue Studie zeigt, dass Deutsche und Österreicher einander schätzen gelernt haben

Wien. Es war ein langsamer Prozess, man hätte ihn fast übersehen können. Zuerst wurden die Deutschen in Österreich immer mehr. Sie kamen zum Studieren in die Städte und zum Arbeiten auch in die Berge, und sie mussten noch einiges ertragen. Erstere das Geschimpfe der Einheimischen, Letztere deren mitleidige Blicke, aber insgeheim dürften den Österreichern die vielen Deutschen in ihrem Land geschmeichelt haben. Mit ein bisschen gutem Willen ließ sich ihr Kommen schließlich als Eingeständnis werten, dass bei ihnen einiges genauso gut oder sogar besser lief als beim großen Nachbarn.

Und das tat gut nach den vielen Touristen mit dicken Autos und vielen D-Mark in der Tasche, die den Österreichern oft als arrogant bis herrisch auftretende Besserwisser in Erinnerung geblieben waren. Der "Piefke" hat sich analog zur bewegten Geschichte der deutsch-österreichischen Beziehungen vom aufmüpfigen Aufklärer zum teutonischen Großkotz gewandelt (Zitat: Hubertus Godeysen, "Kulturgeschichte einer Beschimpfung"). Aber irgendwann muss den Österreichern aufgegangen sein, dass der Spottname für die größte Ausländergruppe in ihrem Land antiquiert war.

Dass aus einer jahrzehntelang (zumindest von Österreichern) gepflegten Feindschaft inzwischen sogar so etwas wie Zuneigung geworden sein könnte, dafür sprechen inzwischen nicht mehr nur die protestlose Eröffnung von Wiens erster Currywurstbude und der Jubel der "Kronenzeitung" nach dem deutschen Fußball-EM-Sieg über Griechenland, sondern auch die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Imas.

Österreicher und Deutsche mögen einander, haben die in Linz und München ansässigen Demoskopen herausgefunden. Genauer gesagt haben 47 Prozent der Österreicher eine "ziemlich gute" Meinung von ihren Nachbarn, elf Prozent sogar eine sehr gute. Umgekehrt beschrieben 53 Prozent der Deutschen ihr Bild von den Österreichern als ziemlich oder sehr gut.

"Die Harmonie zwischen Deutschen und Österreichern war niemals größer als heute", sagt Imas-Gründer Andreas Kirschhofer, "es gab noch nie so wenige Konflikte zwischen den beiden Ländern wie jetzt." Dass das Wohlwollen auf der deutschen Seite noch größer ist, hat ihn nicht erstaunt: Die Rivalität, die im Kampf der beiden Länder um die Vormachtstellung innerhalb eines Reiches wurzele, habe man zuletzt in Österreich, dem kleineren und schwächeren Land, stärker empfunden als in Deutschland. Das könne sich aufgrund seines wirtschaftlichen und politischen Gewichts mehr Souveränität leisten. Die alte Angst der Österreicher, von Deutschland dominiert und an den Rand gedrängt zu werden, habe sich im europäischen Verband so gut wie aufgelöst. Anzeichen von tief empfundener Abneigung seien jedenfalls statistisch kaum mehr wahrnehmbar, Sympathien auf beiden Seiten dafür sehr genau.

Das Bild der Österreicher von den Deutschen dominiert die Ökonomie. Die Österreicher loben an Deutschland dessen starke Industrie und Wirtschaft (54 Prozent), gefolgt von "Leistungsbereitschaft und Fleiß" seiner Bürger (40 Prozent) und deren "modernen Lebensstil" (35 Prozent). Umgekehrt schätzen die Deutschen Österreich vor allem als Ferienziel. 73 Prozent loben die Landschaft, 70 Prozent halten es für ein gutes Urlaubsland, 62 Prozent mögen das Essen. Österreichs Bildungswesen nennen die Befragten trotz der vielen deutschen Studenten im kleinen Nachbarland erst an 14. Stelle, seine Industrie und Wirtschaft an letzter.

Die wichtigste Quelle für Unzufriedenheit mit beiden Ländern ist das Thema Zuwanderung. Die "vielen Zuwanderer, vielen Ausländer" stören die Österreicher sowohl an Deutschland (55 Prozent) als auch im eigenen Land (54 Prozent) am meisten. Weitere Kritikpunkte an Deutschland sind "viel Kriminalität" (40 Prozent) und "hohe Preise, teures Leben" (29 Prozent). Im eigenen Land klagen sie ebenfalls über Lebenshaltungskosten und über Korruption (je 44 Prozent). Die Deutschen hingegen bemängeln an Österreich die Preise (34 Prozent) noch vor den Zuwanderern (17 Prozent) und einer "großen Kluft zwischen Arm und Reich" (elf Prozent), am eigenen Land missfallen ihnen ebenfalls die Ausländer (54 Prozent), soziale Ungerechtigkeit (44 Prozent) und Lebenshaltungskosten.

Beim Thema Migration empfänden Deutsche und Österreicher ein Gefühl der Partnerschaft, sagt Andreas Kirschhofer: "Es gibt in beiden Ländern ein großes Bedürfnis, den eigenen Lebensstil und die Spielregeln des Zusammenlebens zu bewahren." Potenzial für neue Konflikte sieht er langfristig in der demografischen Entwicklung. Es liege nahe, dass beide Länder versuchen würden, dringend benötigte Fachkräfte aus dem jeweils anderen Land an sich zu binden. "Das könnte zu einer gewissen Rempelei führen."

Selbst mit der deutschen Vorrangstellung in der EU haben die Österreicher keine allzu großen Probleme. In der Frage, ob die Union ein wirtschaftliches starkes Land benötige, das die Rolle eines Leitwolfs übernehme, hätten 62 Prozent am liebsten Deutschland, zwölf Prozent Frankreich und nur vier England. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Deutschen ihre Führungsrolle in Europa in besonders großer Zahl (79 Prozent) gut finden, aber das war ja auch nicht anders zu erwarten, Piefke hin oder her.