Der Diätwahn ist schuld: Erst wurde die Butter knapp. Nun gehen auch andere Molkereiprodukte zur Neige

Oslo. "Nur eine Packung Butter pro Familie." Die Norweger müssen vor dem weihnachtlichen Plätzchenbacken mit diesem Schild in Supermärkten zurechtkommen. Die Butterkrise dauert schon seit Wochen an. Hoffnung auf ausreichend "smør" für den Neujahrs-Braten ist auch nicht in Sicht. "Wir hoffen auf eine Stabilisierung der Butterversorgung ab Mitte Januar", sagte Pressesprecher Lars Galtung von Tine, dem ziemlich unbeliebt gewordenen Alleinhersteller des rar gewordenen Streichfetts im Land der Fjorde.

Eher beiläufig, sozusagen unter dem Kleingedruckten, ließ Tine die 4,5 Millionen Norweger vor ihrem Weihnachtsfest wissen, dass es auch in Sachen Sahne eng werden dürfte. Ausgelöst hat den Schlamassel eine Kombination aus einer um sieben Prozent erhöhten Nachfrage nach Butter bei gleichzeitig geringerer Milchproduktion wegen des Quotensystems. Ein anderer Grund ist der Diätwahn im Lande.

"Lavkarbo" sollte das "Unwort des Jahres" in Norwegen heißen. "Arm an Kohlenhydraten" heißt das und ist ein Diättrend bei den Norwegern. Im Land der Wikinger treibt dieser Schlankheitswahn inzwischen seltsame Blüten. Obst, Brot, Zucker, Nudeln, Reis und Kartoffeln sind weitgehend verboten, dafür essen die Norweger jede Menge Schinken, Butter und Fleisch.

Große Probleme gibt es inzwischen im Osloer Abfluss-System. Unmengen Fett bleiben nach dem Kochen übrig und werden von den Norwegern mit Vorliebe in die Spüle oder ins WC gekippt. Die Kanäle verfetten immer mehr, die Arbeiter holen das Fett bei Reinigungsaktionen kübelweise nach oben. Vivi Paulsen, leitende Ingenieurin der Osloer Abwässer: "Bei den Diäten mit wenigen Kohlenhydraten wird viel Fett verwendet. Viele spülen ihre Pfanne einfach aus, das sorgt für große Probleme. Die Fettdepots werden zum kalten Büfett für die Ratten."

Ernährungswissenschaftler warnen längst vor der Fett-Manie. Und so hatte ein Vorstoß wenig Chancen. Mehrere Kommunen haben gemeldet, dass Eltern das Kita-Personal darum bitten, den Sprösslingen nur noch Essen ohne Kohlenhydrate zu geben. Die Kommunen lehnen das grundsätzlich ab. Amund Sörum, Jugend- und Kinderbeauftragter in Drammen bei Oslo stellte klar: "Das wird nicht passieren. Kinder brauchen eine abwechslungsreiche Ernährung." Trotzdem werden in diesen Tagen eifrig Rezepte für Weihnachtsnaschereien mit wenigen Kohlenhydraten, aber mit Sahne und Butter veröffentlicht.

Die führende norwegische Zeitung "Aftenposten" veröffentlichte in Zeiten der Butternot als Leserservice eine Gebrauchsanweisung zur "Smør"-Eigenproduktion über volle zwei Seiten. Sie nahm ihren Lesern jede Hoffnung auf eine schnelle Wende zum Besseren. Das Dumme: Auch dazu braucht man Milchprodukte, am besten Sahne. Molkereichef Tor-Inge Kristensen hat die Sahneherstellung zwar inzwischen vervierfacht. Aber auch das werde nicht reichen, unkte die Zeitung.

So gibt es im Land des Zuchtlachses buchstäblich keine "Butter bei die Fische". Was tun? Am selben Tag, als die Osloer Regierung der Not leidenden europäischen Wirtschaft aus dem heimischen Öl- und Gas-Reichtum umgerechnet sieben Milliarden Euro als Nothilfe anbot, verkündete Molkerei-Pressesprecher Galtung Nothilfe in umgekehrter Richtung: Man habe erste Butterlieferungen aus Irland, Belgien, Frankreich sowie Deutschland besorgt. Und noch mehr sei zu erwarten.

So signalisierte der Deutsche Bauernverband wenige Tage vor dem Fest der Nächstenliebe Bereitschaft zu mehr. "Wir könnten in kürzester Zeit den kompletten norwegischen Butterbedarf decken", sagte Pressesprecher Johannes Funke in Berlin.

Der Hilfe aus dem Ausland stehen allerdings die hohen norwegischen Importzölle im Wege. So wollte das Land sich früher gegen unliebsame Konkurrenz abschotten. Nun müssen die Skandinavier ihre komplizierten Einfuhrregeln entwirren und die Zölle senken, wollen sie wieder Butter und Sahne auf dem Tisch haben.

Video zur Butterkrise: www.abendblatt.de/butter