In Florenz erschießt ein Italiener zwei afrikanische Straßenhändler und verletzt drei von ihnen schwer. Dann begeht der Mann Selbstmord.

Rom. "Neger, jetzt seid ihr dran!", soll Gianluca Casseri geschrien haben, bevor er in Florenz mit einem Revolver das Feuer auf afrikanische Straßenhändler eröffnete. Erst auf dem überfüllten Markt der Piazza Dalmazia im Norden der Stadt, dann noch auf zwei weiteren Märkten. Zwei Senegalesen starben, drei liegen noch schwer verletzt im Krankenhaus. Eingekreist von der Polizei, begeht der Täter schließlich in einer Parkgarage Selbstmord. Nicht nur Florenz stand am Mittwoch unter Schock. Ganz Italien treibt die Frage um, ob es die Wahnsinnstat eines Einzelnen war oder ob eine neue Welle der Gewalt zu befürchten ist.

Als Sympathisant beschrieb die rechtsextreme Gruppe „CasaPound Italia“ den 50-Jährigen kurz nach der Tat am Dienstag. Er sei jedoch kein Aktivist gewesen. Er habe in Pistoia einige Male Sitzungen der Gruppe besucht, um sein Buch „Le Chiavi del Chaos“ (Die Schlüssel des Chaos) vorzustellen. Da wirkte er eher wie der „Dorfdepp“, „lo scemo del villaggio“, so die Gruppe. Im Internet erging sich der Täter in Pamphleten - für eine arische Rasse und für eine weißes und christliches Europa, wie italienische Medien berichteten.

„Ich habe Angst vor Fanatismus, der Gewalt und Tod sät“, erklärte Matteo Renzi, Bürgermeister von Florenz. Doch: „Es handelt sich nicht um die Aktion einer Gruppe, sondern um die ausländerfeindliche und wahnsinnige Tat eines Einzelnen“, so Renzi. Eine große senegalesische Gemeinschaft lebe seit Jahren ohne Probleme in der Stadt. Viele Bürger hätten sofort ihrer Solidarität Ausdruck verliehen und würden - wie er selbst auch - am Sonnabend an einem Protestzug der Senegalesen teilnehmen. Renzi hat keine Zweifel: Das traditionell linke Florenz besitzt „ausreichend Antikörper“ gegen Rassismus.

Andere Beobachter sehen den Fall kritischer. Auch wenn Casseri vermutlich ein wahnsinniger Einzeltäter war, sei sein Denken dennoch in einem spezifischen Klima gewachsen, warnt etwa der linke Autor Adriano Sofri. Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des vatikanischen Kulturrates, kritisiert prompt die „Ausländer raus“-Parolen der populistischen Lega Nord. „Italien hat zwei Gesichter: ein religiöses, vorwiegend christliches und dann das andere“, sagt der Kardinal.

Rechtspolitiker ärgern sich hingegen über die politische Interpretation. „Den Mörder von Florenz der extremen Rechten zuzuschreiben, bedeutet, eine Tat fälschlich politisch zu interpretieren, die nur mit Geistesgestörtheit erklärt werden kann“, sagt Adriano Tilgher von der Toskana-Fraktion der Rechtsaußen-Partei La Destra.

Italien geriet in den vergangenen Jahren mehrfach wegen der Behandlung von nichteuropäischen Ausländern und Minderheiten in die Kritik. 2010 war es der UN-Menschenrechtsrat in Genf, der Rom wegen Gewaltakten gegen Einwanderer und Minderheiten wie Roma und Sinti rügte. Ein anderes Mal hagelte es aus Brüssel Ermahnungen wegen der Flüchtlingspolitik der ausländerfeindlichen Lega Nord.

Es sei dieses Klima, das vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Härte Ungeheuer erzeugen könne, warnt die Turiner Zeitung „La Stampa“. Ähnliche Gewalttaten „im Namen eines obskuren „Wir““ gegen nicht weiter definierte Andere, Schwächere, seien zu befürchten.