Ein Mann reist in die USA, um ein Mädchen sexuell zu missbrauchen. Doch das Kind gab es nie - der 50-Jährige ist US-Ermittlern in eine Falle getappt.

Albstadt/Cleveland. Es war ein perfides Angebot, das amerikanische Ermittler ins Internet gestellt hatten: Ein elfjähriges Mädchen konnte man dort für einen sexuellen Missbrauch buchen - acht Stunden für 1150 Dollar (gut 800 Euro). Männer aus der ganzen Welt meldeten sich, darunter auch ein 50-Jähriger aus Albstadt (Zollernalbkreis). Er und drei weitere reisten in die USA und wurden festgenommen. Ein Gericht in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio hat den Albstädter nun zu fast 18 Jahren Haft wegen versuchten Kindesmissbrauchs verurteilt. In Deutschland wären sowohl solche Ermittlungsmethoden als auch ein so hohes Strafmaß undenkbar. Dabei ist Pädophile auch für die Ermittler hierzulande ein großes Thema.

Vor zwei Jahren entschlossen sich die US-Ermittler, im Kampf gegen Kindersex-Tourismus zu einem außergewöhnlichen Mittel zu greifen. Statt die Szene nur zu beobachten, griffen sie aktiv ein: Sie boten das elfjährige Mädchen an, das es in Wahrheit nie gab.

Als der 50-Jährige aus Albstadt sein Interesse bekundete, entwickelte sich nach Angaben der Justiz-Behörden in Cleveland über Monate hinweg ein reger Mail-Austausch. Als Vermittler getarnt fragten die Fahnder den Mann, was er mit dem Mädchen vorhabe, und dokumentierten es. Schließlich empfahlen sie ihm, alles einzupacken, was er für das Mädchen brauchte, und in die USA zu kommen. Dadurch fanden sie bei seiner Festnahme in seinem Gepäck unter anderem Beruhigungsmittel, Fesseln und Sexspielzeug - für die Ermittler genügend Beweismaterial.

So offensiv geht die deutsche Polizei nicht vor. „Wir dürfen nicht selbst kinderpornografische Inhalte bereitstellen“, betont Horst Haug, Sprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Die Ermittler beschränken sich deshalb darauf, die Szene im Internet zu beobachten. Fünf Beamte sind beim LKA damit beschäftigt. Wenn auf den einschlägigen Tauschbörsen Fotos und Videos verteilt werden, sammeln sie alle verfügbaren Daten und dokumentieren den Vorgang. Viele tausend Ermittlungsverfahren seien dadurch schon angestoßen worden.

Einige deutsche Juristen halten es auch generell für problematisch, wenn Ermittler - so wie jetzt in Cleveland - selbst in der Szene aktiv werden. Schließlich verleiten die Behörden jemanden zu einer Straftat, die er ohne das entsprechende Angebot womöglich gar nicht begangen hätte.

Der zuständige Staatsanwalt in Cleveland, Steven Dettelbach, verteidigte das Vorgehen hingegen. „Die Einzelheiten dieses Falls zeigen, wie weit Menschen gehen, um solche entsetzlichen Verbrechen zu begehen“, sagt er. „Wir werden wachsam sein, um die Verletzlichsten unter uns zu beschützen.“

In Deutschland wäre eine solche Ermittlungstaktik aber auch aus einem ganz anderen Grund nicht möglich gewesen, betont Hans-Georg Koch, Experte für Strafrecht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Denn nach deutschem Recht hätte sich der 50-Jährige allein durch den Kontakt zu dem vermeintlichen Kindersex-Vermittler noch gar nicht strafbar gemacht. „Erst, wenn er mit dem Kind selber Kontakt aufgenommen hätte, wäre es etwas anderes gewesen.“ Aber das Kind existierte ja in Wahrheit nie.

Dass der Arzt in Deutschland wohl gar nicht verurteilt worden wäre, in den USA aber fast 18 Jahre ins Gefängnis muss, zeige die großen Unterschiede im deutschen und im amerikanischen Rechtssystem, betont Emily Silverman, USA-Expertin des Instituts. „Es ist eine Tatsache, dass die Strafen in den USA viel härter sind als hier in Deutschland.“ Anders als in Deutschland gehe es im amerikanischen Rechtssystem weniger darum, einen Straftäter zu rehabilitieren. „Ein zentrales Ziel der hohen Strafen besteht darin, die Gesellschaft vor den Tätern zu schützen.“ Deshalb seien Gefängnis-Strafen schon bei eher kleinen Taten üblich, bei denen deutsche Richter noch eine Geldstrafe oder allenfalls eine Bewährungsstrafe verhängen würden.