Die Sängerin feiert ihr Comeback, bleibt aber unter Vormundschaft. Heute gibt sie in Köln ihr einziges Deutschlandkonzert der aktuellen Tour.

Hamburg. Das Leben von Britney Spears läuft wie ein Lastenaufzug - von ganz oben ist die Sängerin in den Keller gefahren, um mit allerlei Ballast bepackt Stockwerk um Stockwerk wieder heraufzuruckeln. Mittlerweile scheint die 29-Jährige zu ihrer alten Form zurückgefunden zu haben, sie gewinnt Preise für ihre Musik und tourt mit ihrem jüngsten Album "Femme Fatale", das im März erschienen ist, durch die Welt. Heute gibt die Amerikanerin ihr einziges Deutschlandkonzert in Köln. Kommerziell darf Britney Spears' Comeback als gelungen bezeichnet werden, sowohl "Femme Fatale" als auch ihr im Jahr 2008 veröffentlichtes Album "Circus" debütierten auf Platz eins der amerikanischen Albumcharts und erreichten Platinstatus.

Vier Jahre ist es her, dass sich Spears in einem Friseursalon in Kalifornien neben einem Supermarktparkplatz die Haare abrasierte, in eine Suchtklinik einweisen ließ und das Sorgerecht für ihre zwei Söhne Sean Preston, 6, und Jayden James, 5, verlor. Vier Jahre sind in Hollywood eigentlich eine Ewigkeit, in der Plattenfirmen wie Publikum "Ausrutscher" bereitwillig vergessen und verzeihen. Bei Spears ist das anders. Ihre Fans mögen ihr die Eskapaden schon lange verziehen haben - vergessen ist ihr Absturz nicht. Ob eine Autobiografie ihrer Mutter oder ein langer Sorgerechtsstreit mit Ex-Mann Kevin Federline, 33, die Akte Spears wird ständig öffentlich erweitert.

Dabei gibt sich die Künstlerin redlich Mühe. Schweißtreibende Workouts, um die hartnäckigen Pfunde wieder loszuwerden, ein ordentlicher Mann (ihr Ex-Manager Jason Trawick, 39) an ihrer Seite und viele, viele Bilder auf dem Spielplatz mit den Kindern. Vielleicht liegt gerade in dieser Stringenz das Problem: Britney Spears funktioniert. Sonderlich viel Spaß scheint sie an ihrer Arbeit nicht mehr zu haben, Kritiker beschreiben sie als "hölzern" oder "seelenlos".

Nicht wenige von ihnen haben vor ihrem Absturz 2007 in Spears eine neue Madonna gesehen. Der Unterschied ist aber, dass ihr die Gabe fehlt, sich wie die Queen of Pop neu zu erfinden. Als Madonna Mitte der 90er keine Lust mehr hatte, als lebende Gummipuppe in Lack und Leder herumzulaufen, hat sie sich die Haare zum Knoten gebunden und die ehemalige argentinische First Lady Evita Peron (1919-1952) gespielt. Als Britney Spears keine Lust mehr hatte, das nette Mädchen von nebenan zu sein, hat sie angefangen, Kette zu rauchen, Kevin Federline geheiratet, sich nach zwei Jahren wieder scheiden lassen und ist erst ohne Unterhose und schließlich ohne Haare herumgelaufen. Statt sich aber nach diesem Absturz neu zu erfinden, bevorzugt Spears es anscheinend, eine aufgewärmte Version der alten Britney zu präsentieren. Die blonde Wallemähne ist ebenso wieder zu ihrem Markenzeichen geworden wie die knappen glitzernden Bühnenoutfits, die sie berühmt gemacht haben. Ob sie sich auf einem Stuhl rekelt oder mit einer Peitsche herumhantiert - alles geschieht mit Routine und Präzision. Nur die Leichtigkeit, mit der sie vor ein paar Jahren noch Flickflacks auf der Bühne schlug, lässt sich auch durch noch so harte Arbeit nicht heraufbeschwören.

Großen Anteil am neuen alten Image von Britney Spears hat ihr Vater James Spears, 59, der seit drei Jahren ihr offizieller Vormund ist. Genauso lange veranstaltet Spears ihren Eierlauf: Keine falsche Bewegung, kein Ausrutscher soll die frisch gebleichte weiße Weste beschmutzen. Das Problem: Wenige Stars werden von Paparazzi so belagert wie Spears. Seitdem sie 1998 als 17-jährige Lolita "Baby One More Time" sang, sind Kameras Teil ihres Alltags. Da erscheint es erstaunlich, wie wenig sie mit ihnen umzugehen weiß. Während Schauspielerin Angelina Jolie auch auf Paparazzi-Bildern Grandezza bewahrt oder Hotelerbin Paris Hilton ihre "Karriere" den Schnappschüssen verdankt, vermittelt Spears ungeschminkt mit abgekauten Nägeln und fettigen Haaren den Eindruck, dass sie eigentlich gar keine Lust auf den ganzen Rummel hat.

Dabei ist Spears mit 29 Jahren Multimillionärin und hat über 100 Millionen Platten verkauft. Verfügen darf sie über ihr Vermögen trotzdem nicht. Genauso wenig wie heiraten, Kinder kriegen, ein Haus kaufen oder ein Handy besitzen - jedenfalls nicht ohne Erlaubnis des Vaters. Ein Ende der Vormundschaft ist nicht in Sicht. So lange dürfte ihr Publikum vergeblich auf Metamorphosen der Sängerin warten, schließlich ist sie genug damit beschäftigt, ihre Selbstständigkeit vorzugaukeln.