Mitglieder des MDR-Fernsehballetts traten vor dem tschetschenischen Machthaber Kadyrow auf. Alles nur eine Frage des Geldes?

Grosny. Erst hauchte US-Schauspielerin Hilary Swank, 37, dem Präsidenten Tschetscheniens Ramsan Kadyrow ein "Happy Birthday, Mr. President" ins Ohr. Dann scheuten auch weitere Stars aus dem Ausland nicht die weite Anreise in die südrussische Teilrepublik, um auf der Gala anlässlich des 35. Geburtstages des umstrittenen Machthabers aufzutreten, die dieser mit großem Pomp feierte. Unter ihnen waren Actiondarsteller Jean Claude van Damme, Seal (Ehemann von Moderatorin Heidi Klum) sowie die britische Geigerin Vanessa Mae und US-Schauspieler Kevin Costner.

Auch sechs Tänzer des MDR-Fernsehballetts waren sich offensichtlich nicht zu schade, am 5. Oktober der Einladung Kadyrows zu folgen. Offizieller Anlass der Party war der "Tag der Stadt Grosny". "Ja, wir waren mit sechs Tänzern in Grosny", zitiert "Bild am Sonntag" den Geschäftsführer des Ballettensembles, Bodo Bergmann. Die Tänzer und Tänzerinnen sollen über den Zauberer Jan Rouven gebucht worden sein. Doch nicht alle sind dem Lockruf des Geldes erlegen, einige sollen die Reise abgelehnt haben. Diskussionen muss es im Vorfeld der Reise jedenfalls gegeben haben, wenn auch nur über Sicherheitsfragen: "Wir haben diskutiert, ob eine solche Reise für die Tänzer sicher genug ist", sagte Bergmann.

Zwar sind die sechs Tänzer des in Berlin ansässigen Deutschen Fernsehballetts beim Mitteldeutschen Rundfunk nicht fest angestellt, aber es muss die Frage erlaubt sein, ob Künstler, die für einen öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten, nicht so viel politisches Gespür haben sollten, dass eine gute Gage nicht jeden Auftritt heiligt. Es ist bekannt, dass der kremltreue, für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannte Kadyrow schwere Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden. So soll der Diktator Entführungen organisiert, Hinrichtungen befohlen und die Durchsetzung der Scharia in Tschetschenien vorangetrieben haben. Aber Geld stinkt bekanntlich nicht. Und man kann davon ausgehen, dass Kadyrow sich nicht hat lumpen lassen bei der Bezahlung für den Auftritt. Denn der Machthaber will dem Ausland zeigen, dass die Situation in seinem Land durchaus entspannt ist. Die Show wurde schließlich live im russischen Fernsehen übertragen. Anschließend berichteten Tänzerinnen des Balletts sogar auf Facebook über den Auftritt und stellten Fotos aus Grosny ins Internet. Den Diktator wird es freuen.

***Hilary Swank singt Ständchen für Tschetschenen-Präsidenten***

Kritik hagelt es nun von allen Seiten. So nannte Russland-Spezialist Peter Franck von Amnesty International den Auftritt des Fernsehballetts "fatal". Der Präsident der Teilrepublik Tschetschenien verletze "auf das Schwerste die Menschenrechte". Er sei verantwortlich für das Verschwinden von Menschen, lasse Häuser von Regimekritikern anzünden. "Eine Beteiligung an seiner Geburtstagsfeier trägt zur Stabilisierung dieses Unrechtssystems bei", so Franck. Amnesty werde das MDR-Fernsehballett zu dem Auftritt befragen. Auch die Osteuropaexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Marieluise Beck, hat den Auftritt als "unanständig" kritisiert. Damit hätten die Tänzer "einen Diktator hofiert, der für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist", sagte Beck gestern in Berlin. Der Geschäftsführer des Balletts müsse sich fragen lassen, "ob er nur politisch unzurechnungsfähig ist" oder ob ihm jegliche demokratische Standards gleichgültig seien. "Wir gehen davon aus, dass dieser Auftritt eine Nachlese in den MDR-Gremien haben wird", sagte Beck.

Vonseiten des MDR in Leipzig, der mit 40 Prozent Gesellschafter des Fernsehballetts ist, hieß es gestern lediglich, der Sender werde bei der Geschäftsführung des Ensembles nachfragen, "was es damit auf sich hat". Der MDR treffe nicht die Entscheidung, wo die Tänzer aufträten, sagte ein Sprecher. Bereits vergangene Woche hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Auftritte heftig kritisiert. Die Oscar-Preisträgerin Swank bereut inzwischen ihre Teilnahme.

Dass es auch anders gehen kann, hat die kolumbianische Sängerin Shakira bewiesen. Sie sagte - wenn auch kurzfristig - den Auftritt vor dem Diktator ab.