Olaf H. hat gestanden, den zehnjährigen Mirco missbraucht und ermordet zu haben. Am Donnerstag soll das Urteil verkündet werden.

Krefeld. Zum letzten Mal wird sich an diesem Donnerstag für Olaf H. die kleine Tür öffnen, die ihn in Saal 167 des Krefelder Landgerichts führt. Mit dem Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder des kleinen Mirco aus dem niederrheinischen Grefrath findet einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre seinen vorläufigen Abschluss. Eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes gilt dem 45-Jährigen als sicher. Möglicherweise kommt noch die besondere Schwere der Schuld hinzu, die ihm eine Freilassung frühestens im Rentenalter eintragen dürfte.

Die Ermittler wussten sofort, dass dieser Vermisstenfall kein gewöhnlicher war. Mehr als 1000 Polizisten werden vor gut einem Jahr aufgeboten, um nach Mirco zu suchen – eine der größten Suchaktionen der Republik. Sein Rad wird gefunden, seine Kleidung, sein Handy. Als klar scheint, dass der Zehnjährige nicht mehr lebt, fahndet die Soko "Mirco“ weiter – schon mit dem Ansporn, ein weiteres Opfer zu verhindern. Denn was die Profiler ihnen über den Täter sagen können, ist beunruhigend.

+++ Gutachter: Olaf H. ist "pervers" und voll schuldfähig +++

Fünf Monate später schellen Kripo-Beamte im Morgengrauen in Schwalmtal – eine halbe Autostunde von Grefrath entfernt – an der Haustür eines 45-jährigen Telekom-Managers. Die Suche ist beendet. Olaf H. gesteht, Mirco auf dessen Nachhauseweg mit seinem Dienstwagen entführt, in einem viele Kilometer entfernten Wald sexuell missbraucht und mit einer Plastikschnur erdrosselt zu haben. Er führt die Ermittler zur Leiche. Dass er den Körper des Kindes, bevor er ihn im dunklen Wald zurücklässt, auch mit einem Messer traktiert hat, widerruft er im Gerichtssaal. Aber an Mircos Polohemd klebt Blut des Jungen.

Mit seinen zahlreichen Versionen des Mordes versucht der Angeklagte, systematisch und zunächst mit Erfolg, sein Motiv zu verbergen und sein Tun zu verharmlosen. Stress im Beruf, Ärger mit dem Chef, der zufällig daher radelnde Mirco, seine tiefe Trauer nach der Tat. Doch ein Lügengebäude nach dem anderen bricht zusammen. Olaf H. habe gelogen, getäuscht und manipuliert, räumt sein Verteidiger Gerd Meister ein.

Scheibchenweise werden für die Ermittler und das Gericht die Umrisse einer Tat sichtbar, die der psychiatrische Gutachter mit einiger Wahrscheinlichkeit als das Werk eines perversen Sadisten einstuft. Ein seltener Tätertyp, gefährlicher als ein Pädophiler. Dazu noch mit einem Intelligenzquotienten von 138 hochbegabt.

Und: Nichts in der bislang bekannten Biografie von Olaf H. deutet auf seine Perversionen und so eine Tat hin, nicht das kleinste Alarmsignal. Er kommt aus intakten Verhältnissen, lebt ein unauffälliges, fast mustergültiges Leben. Um möglichst viel Machtgefühl auszukosten, um sich an der Angst und dem Leid seines Opfers zu weiden, soll Olaf H. „wie ein Jäger“ 200 Kilometer umhergefahren sein auf der Suche nach einem möglichst wehrlosen Opfer. „Und wer ist wehrloser als ein Kind?“, fragt der Psychiater. Der totalen Demütigung wegen habe Olaf H. Mirco auch noch sexuell missbraucht, nicht etwa, weil er eine verhängnisvolle sexuelle Neigung zu Kindern verspüre.

Der Psychiater bietet ein tiefenpsychologisches Erklärungsmodell: Durch ein frühkindliches Trauma habe sich die Aggressivität von H.s Persönlichkeit abgespalten und abgekapselt. Das würde erklären, warum sein privates Umfeld ihn als ausgesprochen freundlich, ausgeglichen und liebevoll beschreibt. An seinen irgendwann aufflammenden perversen Fantasien lässt er niemanden teilhaben.

Erst als er seine Balance verliert, weil er beruflich in Ungnade fällt, bricht sich ein dunkler Impuls Bahn – die böse Seite des Olaf H.. Einen letzten Beleg dafür hat der Psychiater nicht, weil sich H. der Psycho-Diagnostik verweigert und Spuren, die ein solches Verhalten belegen könnten, nach fünf Monaten Liegezeit der Leiche im Wald vernichtet sind.

Vergeblich hoffte sein Verteidiger, dass H. dem Drängen des Vorsitzenden Richters Herbert Luczak nachgibt, Einblick in seine seelischen Abgründe gewährt und sich einer Therapie öffnet. Dass er weint, wertet der Rechtsanwalt als Anfang und gutes Zeichen. Und dass er sich ein Bild von Mirco in seiner Zelle aufgehängt hat.