Der Psychiater Martin Albrecht stuft Olaf H. als voll schuldfähig ein und hält die Ermordung Mircos für die Tat eines sadistisch-perversen Täters.

Krefeld. Der mutmaßliche Mörder des zehnjährigen Mirco ist laut psychiatrischem Gutachter voll schuldfähig und vermutlich sadistisch-pervers. Dies sei die wahrscheinlichste Variante, sagte Psychiater Martin Albrecht am Freitag. Der berufliche Stress des Angeklagten könne Auslöser, aber keinesfalls Ursache der Tat gewesen sein. "Was da vorliegen muss, ist die Neigung, unter Stress Fantasien zu entwickeln, die ein Abreagieren an einem Kind beinhalten“, sagte der Sachverständige.

Pädophile Neigungen hätten vermutlich keine Rolle gespielt: "Man kann auf keinen Fall sagen, er ist ein pädophiler Mensch.“ Der angeklagte Manager Olaf H. sei hoch intelligent und habe manipulatorisches Geschick. Er habe eine möglichst hilflose Person ausgewählt und damit ein möglichst großes Machtgefälle geschaffen, um sein Machtgefühl zu erhöhen: "Und wer ist hilfloser als ein Kind?“

Es sei letztlich nicht belegbar, weil es keine Tatspuren gebe, aber vermutlich sei Mirco bei einem sadistisch-perversen Exzess getötet worden. Olaf H. habe Allmachtsfantasien entwickelt und den Jungen demütigen, unterdrücken und missbrauchen wollen. Diese hätten sich dann vermutlich bis zur Tötung des Kindes entladen. Ein Verdeckungsmord sei aber auch möglich und nicht auszuschließen.

Der Gutachter bescheinigte dem Angeklagten einen überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten von 138. Damit gelte er als hochbegabt. Mit dem Herumfahren, dem "Cruising“ – wie "ein Jäger, der seine Beute aufspüren möchte“ – habe H. vermutlich seine Fantasien "hochgeschaukelt“. Es gehe solchen Tätern um das Auskosten der Ohnmacht des Opfers. Der Sachverständige wollte keine Prognose zur Wiederholungsgefahr stellen, sagte aber: "Wenn er ein Sadist ist, wäre er sehr gefährlich.“

In sozialer Hinsicht sei er ansonsten völlig unauffällig, habe ein geregeltes Familienleben gehabt, sei beruflich ehrgeizig gewesen. Während der Begutachtung habe er, wie in diesen Fällen üblich, versucht, seine wahre Motivation zu verschleiern. So sei er zwar vordergründig offen und freundlich gewesen, habe sich aber vehement gegen die psychodiagnostischen Tests gewehrt.

Trotz seiner Intelligenz sei Olaf H. eher ein unflexibler Mensch mit wenig Widerstandskraft bei Stress-Situationen. Er sei chronisch beunruhigt, verunsichert, werde von Misstrauen und Argwohn geplagt. Insofern könne der Stress der Auslöser gewesen sein, seine perversen Fantasien in die Tat umzusetzen.

+++ Mircos mutmaßlicher Mörder Olaf H. beruflich unter Druck +++

Olaf H. hat bereits gestanden, Mirco umgebracht zu haben. Der 45-Jährige lieferte allerdings zahlreiche Versionen des Geschehens ab, die sich als falsch herausgestellt haben. Das Gericht gab bekannt, dass es nach vorläufiger Bewertung nicht davon ausgeht, dass Olaf H. die Tat - wie von ihm geschildert - als unmittelbare Reaktion auf ein hitziges Telefonat mit seinem Chef begangen hat. Der Vorgesetzte konnte anhand von Handy-Rechnungen belegen, dass er am Tattag entgegen der Behauptung von Olaf H. gar nicht mit diesem telefoniert hatte.

Auch verwarf die Kammer die Variante, Olaf H. habe Mirco aus Wut über eine ausgebliebene Erektion umgebracht. Ebenso wenig glaubt das Gericht, Mirco sei Olaf H. rein zufällig über den Weg gelaufen und er habe ihn zunächst nur beruhigen wollen.

Die Anwältin von Mircos Eltern, die in dem Verfahren als Nebenkläger auftreten, erklärte, die Tatsache, dass in dem Prozess „nicht der Hauch eines Ansatzes für ein Motiv“ erkennbar sei, mache es den Eltern zusätzlich schwer. Der Anwalt von Olaf H., Gerd Meister, sagte: "Es gibt Täter, die vielleicht gar nicht genau wissen, warum sie etwas machen.“

In der kommenden Woche sollen die Plädoyers gehalten und vorraussichtlich am 29. September das Urteil verkündet werden. (dapd/dpa)