Lucy Hawking, Tochter des berühmten Forschers, bringt Jugendlichen das Universum als Abenteuergeschichte nahe

London. Mit "Eine kurze Geschichte der Zeit" schrieb sich der Cambridge-Astrophysiker Stephen Hawking, 67, in die Rekordlisten: mehr als zehn Millionen verkaufte Exemplare in mehr als 40 Sprachen, 237 Wochen in den Top Ten der Londoner "Sunday Times", 28 Auflagen allein in Deutschland, Stoff einer Oper, die New Yorks Metropolitan Opera für 2015 in Auftrag gegeben hat. Dennoch gehört das 1988 erschienene Buch zu den ungelesensten Bestsellern. Etliche Käufer wagten sich gar nicht erst an das Thema, wie die "Ungebraucht"-Angebote bei Ebay und Amazon beweisen. Viele andere, wahrscheinlich sogar die meisten, kamen über die ersten Seiten nicht hinaus; die Materie war ihnen einfach "zu hoch".

Jetzt haben sie eine zweite Chance, dank der Tochter des "englischen Einsteins", der wegen einer unheilbaren Muskellähmung im Rollstuhl sitzt. Unter Mitwirkung ihres Vaters hat die Journalistin und Romanautorin Lucy Hawking, 40, eine Jugendbuch-Trilogie verfasst, welche die Erklärung des Weltalls - die Entstehung und Erforschung des Universums - in spannende Abenteuergeschichten einbettet.

Die ersten beiden Titel, 2007 und 2009 in 37 Übersetzungen veröffentlicht, sind bisher weltweit mehr als sieben Millionen Mal verkauft worden. "Auch jede Menge Erwachsene lesen diese Bücher, gemeinsam mit ihren Kindern oder für sich selbst", erzählt die Verfasserin dem Abendblatt. "Sie ebnen Jung und Alt einen bequemen Weg zur Einführung in die Welt der Physik. Daher die vielen Fans in sämtlichen Altersgruppen."

Der letzte Band, "Zurück zum Urknall - die große Verschwörung" (304 Seiten, 17,99 Euro), mit Nasa-Farbfotos und Zeichnungen des deutschen Illustrators Quint Buchholz, 54, bebildert, erscheint am 19. September im Kinderbuchverlag cbj.

Den erzählerischen Rahmen der Bücher liefert die Freundschaft des kleinen George aus dem Unistädtchen Foxbridge mit dem Nachbarsmädchen Annie und dessen Vater, dem Wissenschaftler Eric Bellis. Erics Supercomputer "Cosmos" ermöglicht ihnen Reisen durch Raum und Zeit: Sie reiten auf Kometen, umkreisen Saturn, inspizieren Wurmlöcher, beobachten ein schwarzes Loch, besuchen die Mars-Polarregion sowie die schwarzen Methanseen des Saturnmondes Titan, fahnden nach Spuren außerirdischen Lebens und fliegen zum Mond. Daneben machen George und Annie Jagd auf ein verschwundenes Schwein und müssen ein Komplott vereiteln. Die Bösen wollen Erics Urknall-Experiment im größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC) des Europäischen Kernforschungszentrums Cern bei Genf, platzen lassen.

Eingestreut sind Informationseinschübe mit Überschriften wie "Raum, Zeit und Relativität", "Die Expansion des Universums", "Die Quantenwelt", "Elf Dimensionen" sowie Beiträge von Stephen Hawking und anderen namhaften Akademikern zu den jüngsten astrophysikalischen Theorien. "Mein Vater betont immer, dass Naturwissenschaft ein Prozess der Zusammenarbeit ist. Deshalb war ihm wichtig, dass auch die Arbeit von Kollegen in den Büchern Platz findet und erklärt wird", erläutert Lucy Hawking.

Sie erinnert sich noch genau, wie die Idee zu den Büchern entstand: "Es war auf der Party zum siebten Geburtstag meines Sohnes William. Alle seine Freunde umringten Dad und stellten ihm Fragen wie: 'Was würde passieren, wenn ich in ein schwarzes Loch fiele? Wie würde sich das anfühlen?' Da wurde mir klar, man muss für Kinder die Informationen nur anschaulich machen, dann können sie sie auch begreifen."

Je weiter das Projekt voranschritt und je anspruchsvoller die Materie wurde, desto mehr wuchsen die Begeisterung und das Engagement des Physikers. Beschränkte er sich anfangs auf die Rolle eines fachlichen Beraters, so steuerte Stephen Hawking im dritten Band - vom Verlag empfohlenes Lesealter: ab zehn bis 12 Jahre - wesentliche Impulse zur Handlung bei.

"'Zurück zum Urknall'", sagt Lucy Hawking, "sollte eine Abenteuergeschichte über die Ursprünge des Universums werden. Das ist eine harte Nuss. Es ist echt schwer, Spannung zu erzeugen, aufrechtzuerhalten über ein Ereignis, das 13,7 Milliarden Jahre zurückliegt. Hätte ich die physikalischen Gesetze ignorieren dürfen, dann hätte ich eine Figur in die Zeit des Big Bang zurückversetzen und in den Urknall hineinpfuschen können. Aber das erlaubte mein Vater natürlich nicht. Stattdessen ersann er eine böse Organisation, die den LHC zerstören will, um sicherzustellen, dass Geheimnisse des frühen Universums verborgen bleiben."

Die jahrelange Zusammenarbeit hat Vater und Tochter auch menschlich nähergebracht. Wird es eine Fortsetzung geben? "Wir hatten uns drei Bücher vorgenommen, und mit der Fertigstellung der Trilogie haben wir unser Ziel erreicht - das vermutlich einzige aktuell erhältliche Kosmologiebuch für Kinder. Aber wer weiß, was wir als Nächstes tun werden."