Ein Kindermord aus beruflichem Stress? Im Fall Mirco prüft das Gericht, ob das von Olaf H. vorgegebene Motiv plausibel ist.

Krefeld. Der Vorgesetzte des mutmaßlichen Mörders des zehnjährigen Mirco hat vehement bestritten, Auslöser für den Kindermord gewesen zu sein. Er habe seinen Mitarbeiter Olaf H. am Tattag gar nicht gesprochen, geschweige denn „zusammengefaltet“. Er sei am 3. September 2010 in Urlaub in London gewesen und habe „hundertprozentig nicht dienstlich telefoniert“, sagte der 44-jährige Telekom-Manager am Freitag als Zeuge vor dem Krefelder Landgericht aus. Sein Verhalten war vom geständigen Angeklagten als Auslöser des Kindermordes genannt worden. Olaf H. hatte behauptet, den Mord unmittelbar nach einem Streitgespräch mit seinem Chef als Reaktion auf Druck und Stress im Beruf begangen zu haben.

Der Vorgesetzte sagte, er habe sein Diensthandy nicht bei sich gehabt und schließe aus, dass dieses Telefonat stattgefunden habe. Er könne sich an den Tag sehr gut erinnern, an dem er wegen eines Umtauschs durch London geeilt sei.

Olaf H. hatte behauptet, der Chef habe von ihm trotz eines freien Tags einen aktuellen Bericht über ein Projekt eingefordert. Auf die Entgegnung, dass er sich um seine kranke Tochter kümmern müsse, habe der Chef gesagt: „Es ist mir scheißegal, was mit deiner blöden Tochter ist.“ Dieser Satz sei auch zu keinem anderen Zeitpunkt gefallen, sagte dagegen der Vorgesetzte: Er verlange grundsätzlich von Mitarbeitern keine Arbeit, wenn sie sich um kranke Angehörige kümmern müssten.

Es habe allerdings am 1. Juli 2010, also zwei Monate vor der Tat, ein ernstes Gespräch mit Olaf H. gegeben, für das er diesen nach München zitiert habe. „Der Olaf“ habe seine Berichte vernachlässigt und er habe ihm deutlich gesagt, dass er künftig aussagefähige Dokumentationen erwarte. Er habe ihm auch zu verstehen gegeben, dass sich der „Workforce-Manager“ andernfalls beruflich verändern müsse. Er habe schon den Eindruck gehabt, dass dieses Gespräch das Selbstbild von Olaf H. „zentral betroffen hat“, sagte der Vorgesetzte.

Olaf H. hatte mehreren Arbeitskollegen zufolge vor der Tat beruflich unter erheblichem Druck gestanden. Bei gleich drei Projekten seien eher schlechte Ergebnisse mit seinem Namen in Verbindung gebracht worden, berichtete ein anderer Vorgesetzter von Olaf H. am Freitag. Er bestätigte, dass der nächsthöhere Vorgesetzte deutliche Verbesserungen erwartet habe. Er sei dabei „sehr deutlich geworden“.

Der zweite Vorgesetzte widersprach ebenfalls zentralen Aussagen des Angeklagten : Er könne sich nicht erinnern, dass dieser einmal wie behauptet aus Protest ein Treffen in München verlassen habe, weil er vor versammelter Mannschaft abgekanzelt worden sei. Auch traue er dem höheren Vorgesetzten persönliche Beleidigungen nicht zu.

Erneut meldete sich der Angeklagte zu Wort. Er bleibe bei seiner Darstellung. Er habe damals drei Jobs gleichzeitig gemacht: seinen alten Posten, der in der Führung von rund 100 Mitarbeitern bestand, die Einarbeitung in seine neue Stelle in Bonn und die Arbeit an einem Geheimprojekt, über das er noch nicht mal mit seiner Frau habe sprechen dürfen.

Der 45-Jährige hat die Tat zwar gestanden, sich bei seinen verschiedenen Versionen aber in Widersprüche verwickelt. Das Landgericht beendete am Freitag die Zeugenvernehmungen. Der Prozess soll am Freitag kommender Woche fortgesetzt werden.