Olaf H. gibt an, kurz vor der Tat Ärger mit seinem Chef gehabt zu haben. Widersprüche in Zeugenaussagen

Krefeld. Der mutmaßliche Mörder des kleinen Mirco hat am sechsten Verhandlungstag sein Schweigen gebrochen. Erstmals nahm er im Prozess vor dem Krefelder Landgericht ausführlich zum Geschehen vor der Tat Stellung. Er habe sich am Tag des Mordes, dem 3. September 2010, freigenommen, weil seine Tochter krank gewesen sei, sagte der damalige Telekom-Mitarbeiter gestern aus. Dennoch habe ihn sein Chef an jenem Freitag angerufen und einen neuen Statusbericht über ein Projekt von ihm verlangt.

Der Richter zeigte sich über die Aussage verwundert

Als er ihn daran erinnert habe, dass er freihabe und sich um seine kranke Tochter kümmern müsse, sei der Vorgesetzte ausfallend geworden. "Es ist mir scheißegal, was mit deiner blöden Tochter ist", habe der Chef gesagt. Er habe dann das Telefonat beendet und den Bericht angefertigt, sagte der 45-Jährige und verfiel wieder in Schweigen. Der Vorsitzende Richter Herbert Luczak zeigte sich verwundert, dass der Angeklagte erst gestern mit Details zu dem Telefonat aufwartete.

Olaf H. hatte in seinem Geständnis bei der Polizei angegeben, Mirco umgebracht zu haben, um beruflichen Stress und Druck abzureagieren. Offenbar hatten Ex-Kollegen ihn vor Gericht aus der Reserve gelockt. Eine Kollegin sagte gestern beispielsweise aus, der Beschuldigte habe ständig mit kuriosen Ausreden Termine platzen lassen. So habe er in kurzer Zeit zweimal seine Abwesenheit mit Fehlgeburten seiner Frau begründet. Daraufhin ergriff der Angeklagte noch einmal das Wort und betonte, dass es sich nicht um Ausreden gehandelt habe: Seine Frau sei nach einer künstlichen Befruchtung mit Zwillingen schwanger gewesen. Beide Föten habe sie nacheinander verloren. Danach sei sie psychologisch betreut worden. Michaela H., 33, hat sich inzwischen von ihrem Mann scheiden lassen.

Mehrere Ex-Kollegen sagten, dass Olaf H. als Telekom-Manager überfordert gewesen sei. Dies sei auch der Grund für seinen zur Tatzeit bereits feststehenden Wechsel innerhalb des Unternehmens gewesen. "Der Olaf hat sich zu viel zugemutet", sagte ein ehemaliger Vorgesetzter. "Man sah ihm an, dass er gestresst war", sagte eine Kollegin. Sein damaliger Vorgesetzter in München sei kein einfacher Chef gewesen und schon mal polternd. Olaf H. sei "an seine Grenzen gestoßen" und unglücklich mit der Situation gewesen, sagte ein weiterer Kollege. Er habe ihm zum Wechsel geraten, weil Projektergebnisse "katastrophal" gewesen seien. Der Angeklagte sei auch zu einem "Personalgespräch" in eigener Sache nach München geflogen.

Schon am Freitag war der Angeklagte von seinen Kollegen sehr unterschiedlich beurteilt worden: Die Zeugenaussagen variierten zwischen "nett, lustig und hilfsbereit" bis "Blender, Lügner, unsympathisch, machtbewusst und eiskalt". Auch über die Frage, wie sehr Olaf H. zur Tatzeit unter Stress stand, gingen die Meinungen auseinander. Während Kollegen von "extremem Druck" berichteten, beschrieben andere H. als faul und unzuverlässig.

Der mutmaßliche Mörder hat die Tat zwar gestanden, sich aber in Widersprüche verwickelt. Das Gericht versucht vor allem sein Motiv für die Tat zu klären. Die Staatsanwaltschaft wirft Olaf H. Mord aus niederen Beweggründen und zur Verdeckung eines sexuellen Missbrauchs vor. Die jetzige Aussage des Familienvaters könnte als strafmildernd gewertet werden.

Der damals zehnjährige Mirco aus Grefrath wurde am 3. September 2010 auf dem Nachhauseweg entführt und ermordet. In beispielloser Kleinarbeit ermittelte die Polizei aufgrund von Angaben eines Zeugen das Fahrzeug des Angeklagten. In dem Dienstwagen, ein dunkler Kombi, wurden Faserspuren von Mircos Kleidung gefunden. Fünf Monate nach der Tat nahmen die Ermittler den bis dahin unbescholtenen Mann in Schwalmtal bei Mönchengladbach fest. H. wohnte in einer biederen Eigenheim-Siedlung, nur 17 Kilometer südlich von Mircos Wohnort Grefrath entfernt. Mit dem Urteil wird am 30. September gerechnet.