Frankreichs Filmstar Gérard Depardieu erleichterte sich im Flugzeug. Die Grande Nation verzeiht ihm das Malheur

Paris. In Frankreich, wo Filmschaffende generell ein hohes Ansehen genießen, ist Gérard Depardieu, 62, eine Art Nationalheiliger, ein Sinnbild für Erfolg und gutes Leben. Der ungeheuer vielseitige, produktive und massive Schauspieler und Weinbauer glänzte auf der Bühne als Cyrano de Bergerac und im Fernsehen als Balzac. Im Kino war er im Klassiker "Die letzte Metro" und zuletzt in "Small World" zu sehen. Er protzt auch gern mit seiner angeblichen Unverwüstlichkeit, besitzt mehrere Bypässe und schlug in Cannes seinen US-Kollegen Nick Nolte im Wetttrinken.

Kann ein solcher Heiliger straucheln? Kaum, denn in Frankreich ist man nachsichtig mit dem Volkshelden, der in einer Reihe mit seinen berühmten Schauspielerkollegen Alain Delon, Brigitte Bardot, Jean-Paul Belmondo und Jeanne Moreau steht. Nachsichtig, auch wenn sich Depardieu, wie berichtet, in einem Flieger der irischen Airline CityJet erleichtert hatte - allerdings nicht in den dafür vorgesehenen Örtlichkeiten. Der Skandal war in der Welt, und so musste das Unternehmen reagieren. Also postete ein Mitarbeiter bei Twitter kurzerhand einen Kommentar, ohne Namen und Details, aber dafür mit einer feinen Prise Humor: "Wie Sie vielleicht aus den Nachrichten erfahren haben, sind wir heute damit beschäftigt, eines unserer Flugzeuge feucht durchzuwischen ..."

Die Mutter-Fluggesellschaft Air France-KLM zieht aber keine Konsequenzen aus dem Verhalten des großen Franzosen - Diskretion ist Ehrensache. Laut Fluggesellschaft ist weder an eine weitere strafrechtliche Verfolgung noch an ein Bußgeld gedacht. Die gründliche Reinigung am nächsten Tag bleibt damit wohl das einzige Nachspiel.

Über das, was nun wirklich geschah auf dem Flug von Paris nach Dublin in der Maschine, die mit 100 Passagieren besetzt war, existieren verschiedene Versionen. Diejenige, die Schlagzeilen machte, geht laut einer Augenzeugin so: Depardieu stand plötzlich auf und sagte: "Ich will pinkeln, ich will pinkeln." Die Flugbegleiterin forderte den Prominenten dazu auf, eine Viertelstunde zu warten, bis der Flieger in der Luft sei. "Ich kann nicht warten", habe der Franzose geantwortet. Dann habe er auf den Boden gemacht, sagte die Augenzeugin. Und ergänzte: "Man merkte deutlich, dass er getrunken hatte."

Das ist indes nur eine von zwei möglichen Lesarten. Die andere Version, mit der die Zeitung "Le Figaro" eine Sprecherin von Air France-KLM zitiert, hört sich sehr viel moderater an. Nach der Episode eines Mannes nämlich, dem beim Versuch, seine Notdurft zu verrichten, ein Missgeschick unterläuft - und der in diesem Fall eben das Pech hat, berühmt zu sein. Demnach wurde Depardieu von der Flugbegleiterin erst um eine Viertelstunde und dann wegen einer Verzögerung nochmals um 20 Minuten Geduld gebeten, bis er in seiner Bedrängnis zu einer leeren Flasche griff - "ohne jegliche Provokation und nachdem er sich versichert hatte, dass niemand ihn sieht", zitiert "Le Figaro" eine anonyme Quelle.

Dabei sei allerdings ein wenig Urin neben statt in der Flasche gelandet. Der 62-Jährige habe sich sofort bereit erklärt, sauber zu machen, was die Stewardessen jedoch abgelehnt hätten. Stattdessen fuhr das Flugzeug zurück in die Parkposition, Depardieus Gepäck wurde ausgeladen und er selbst von Bord geleitet. Einen Eklat gab es dabei aber nicht; der Franzose leistete keine Gegenwehr, auch die Passagiere blieben höflich. Ihr Flieger startete mit knapp zwei Stunden Verspätung, und Depardieu nahm die nächste Maschine.

Dieser "Fehltritt" passt gut zu dem Bild des Exzentrikers Depardieu, der nicht nur für seine Schauspielkunst, sondern auch für seine cholerischen Anfälle weltbekannt ist. Der massige Hüne mit der Knollennase füllt seit nunmehr knapp 50 Jahren die Kinoleinwände. Er war Schutzengel oder Schwerstkrimineller, Ehebrecher oder Poet - immer ein Charakterdarsteller. In Deutschland ist er vor allem für seine Rolle als Obelix bekannt, die ihm geradezu auf den Leib geschrieben scheint. Der Franzose, der auch selbst Regie führt, besitzt zudem ein Weingut und zwei Restaurants. Ein sympathischer Lebemann, so scheint es, der aber bisweilen auch sehr unbeherrscht auftritt und schon mehrfach durch Grobheiten aufgefallen ist.

Im Jahr 2007 etwa, als sich Depardieu vor Gericht verantworten musste, weil er einem Fotografen eine Kopfnuss verpasst hatte. Die Pinkelpanne reiht sich da nahtlos als weiterer Ausfall ein - und scheint zu belegen, dass der Hobbywinzer seinen Produkten tatsächlich etwas zu sehr zugetan ist.

Gérard Depardieu gibt auch zu, dass er bisweilen sein bester Kunde ist. In einer Sendung des britischen Fernsehsenders BBC sagte er, dass er "vier bis sechs Flaschen Wein am Tag" trinke. Seine besondere Liebe zum Rotwein hat nach eigener Aussage allerdings organische Gründe: "Ich glaube, das Fruchtwasser meiner Mutter bestand aus Wein."

Das sind Sätze, wie die Franzosen sie lieben, die ihren Nationalstolz bestätigen. Und deshalb werden sie ihm auch dieses Malheur im Flugzeug verzeihen ...